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Sizilien West / Juni 2002

Inseln, Werften und die Fussball-WM

Weisser Granit, grüne Macchia, drüber strahlend blauer Himmel, drunter türkisfarbenes Wasser. Das ist das Panorama, das sich oberhalb meines Laptopbildschirms zeigt. Wir schaukeln gemütlich in einer winzigen Ankerbucht vor Isola Levanzo, knapp 8 Seemeilen westlich Sizilien. Wassertemperatur schätzungsweise 22 Grad (Herta schätzt 16-18). Im Dunst ist Trapani noch zu erahnen, die Heimat unserer "Coco" während der letzten 8 Monate.


Coco vor Isola Levanzo

Dort verbrachten wir auch die vergangene Woche, von Schiffshändler zu Schiffshändler pilgernd, Schäkel und Blöcke, Desinfektionsmittel für den Wassertank, Öl für den Kompass suchend. Manchmal auch findend. Die Besitzer der Nautic Shops kennen wir alle. Das Zeremoniell ist immer das gleiche: Man betritt einen der sechs oder sieben Läden. Oft ein finsterer Schuppen oder eine Art Garage ohne Tageslicht. Darin türmen sich auf siebeneinhalb Quadratmetern die Schätze der Branche bis unter die Decke. Manchmal steht, Platz vorausgesetzt, ein Grüppchen Fischer in einer Ecke, lautstark palavernd. Wenn du eintrittst verstummt alles schlagartig und du bist der ungeteilte Mittelpunkt des Interesses. Dann sitzt da ein Typ, die wollene Strickmütze tief ins Gesicht gezogen, Sechstagebart und die unvermeidliche kalte Peroni im Mundwinkel und mustert dich von oben bis unten. Das ist für dich das Zielobjekt. Der sieht alles und weiß alles. Den steuerst du also an. Dann stellst du deine Frage, auf italienisch, anders geht's nicht, und dann entwickelt sich eine von zwei Varianten: (a) der Blick verdüstert sich, dein Gegenüber bleibt stumm (du weißt nicht, liegt es an deinem schlechten Italienisch oder kann er das Gewünschte nicht bieten?), oder (b) ein Redeschwall ergießt sich über dich (wenn du diese Prüfung einigermaßen bestehen willst, mußt du jetzt mehrmals ein lautes SI oder SISISI einwerfen). Dann stehst du entweder gleich wieder auf der Straße und versuchst dein Glück beim nächsten, oder das Lager wird auf den Kopf gestellt bis das Gesuchte gefunden ist. Dann kommt der harte Teil: Kopfüber im Ankerkasten, im Maschinenraum oder sonstwo hängend, bei 35 Grad im Schatten, kannst du das Teil einbauen - und von Glück sagen, wenn du Leatherman und Spannungsprüfer hast.

Ihr merkt es schon, wir genießen wieder die Freuden des Seglerlebens!

Letzte Nacht hatten wir einen kleinen Wassereinbruch zu vermelden! Unser grünes Volvo-Monster plätscherte fröhlich gerade noch über der Oberfläche. Ursache: Undichtes Wellenlager! Da hilft auch der Leatherman nix, wenn man nicht weiß, wie die Dinge funktionieren. Also zurück zur Werft. Der Mechanico repariert die Sache, ich schaue zu. Das nächste Mal können wir uns selber helfen. Segeln ist lehrreich.

Gekostet hat's übrigens nichts, außer Trinkgeld. Überhaupt war die Entscheidung für die Werft in Trapani aus heutiger Sicht gut. Alles hat funktioniert, alle Abmachungen wurden eingehalten (darauf waren wir nicht vorbereitet...) und für Malle-Geschädigte waren die Preise absolut ok. Man braucht nur manchmal etwas Geduld. Es ist schon ein gewaltiger Unterschied, ob man bei Mallorca segelt, wo es in den Marinas alles gibt, was das Seglerherz begehrt, und wo man sich im Notfall immer auf Deutsch verständigen kann (wer weiss schon, wie Wellenlager auf spanisch oder italienisch heißt?). Oder ob man vor Sizilien segelt. Hier sind andere Tugenden gefordert: Genügsamkeit, Improvisationstalent und Schauspielkunst. Damit erreicht man alles. Früher oder später. Auch ein gewisses Maß an Leidensfähigkeit kann hilfreich sein: das geringe Angebot an brauchbaren Marinas und guten Ankerplätzen plagt den Freizeitskipper; längsseits gehen an ölverschmierten Fischtrawlern oder an mit rostigem Eisen bewehrten Industriepiers ist unsere Sache ja nicht. Allerdings entschädigt Sizilien auch reichlich: Mit einer Herzlichkeit, die auf den ersten Blick überhaupt nicht sichtbar ist, und mit Kultur im Überfluss. Griechen, Römer, Araber, Normannen und viele andere haben hier ihre Spuren hinterlassen: normannische Kirchen mit leuchtend rosafarbenen arabischen Kuppeln in Palermo, weisse oder braune kubische Häuser auf Isola Marettimo, Fisch-Couscous in Castellamare, das Multikulturelle ist in vielen Bereichen erlebbar.

Nun aber zieht es uns vehement weiter Richtung Griechenland, hinüber zu den Inseln mit den zahlreichen herrlichen Ankerplätzen, günstigen Tavernen und traumhaften Sonnenuntergängen. Die weiteren Kulturstopps in Sizilien werden deshalb wohl eher knapp bemessen sein. In den nächsten Tagen gehts hinunter nach Süden, einen langen 65-Meilen-Schlag zur Lavainsel Pantelleria, die näher an Afrika als an Europa liegt. Von dort weiter über Lampedusa und Linosa (die Inseln liegen völlig abseits, etwa auf der Höhe von Casablanca und Damaskus; wann kommt man da sonst schon mal hin?), und von dort nach Gozo und Malta. Dann zurück an die Ostküste Siziliens, natürlich wollen wir uns Taormina ansehen. Aber danach wird es an der Stiefelsohle entlang schnellstens ostwärts gehen. Wir sind gespannt.

Auch das aktuelle Sportgeschehen bleibt uns hier auf dem Schiff nicht verborgen. Heute waren wir auf der Deutschen Welle mit on air, als Deutschland gegen USA das 1:0 hinübergezittert hat. Sportlich steht der Start zum diesjährigen Törn also unter besten Vorzeichen. Deutschland wird Weltmeister, und Coco ist wieder in ihrem Element! Italien ist leider schon draussen, ein Endspiel D vs. I wäre hier sicher der Hit gewesen. Unser Tankwart (wir hatten letzte Woche einen Mietwagen) raunte mir am Tag nach dem Golden Goal zu, dass das Ganze ein abgekartetes Spiel war, logisch, sieht man ja! Mafia, Bestechung, que Bordello ...! Italien gegen Korea verloren, völlig unmöglich sowas. Ich hab die Gelegenheit genutzt und schnell noch ein paar Wörter gelernt, die ich sicher noch mal gut gebrauchen kann ...


Levanzo "downtown"


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