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Linosa-Malta / Juli 2002

Von kleinen Eilanden und kulinarischen Fehltritten

Unsere Inseln werden auch immer kleiner. Isola Linosa ist wirklich das, was man sich unter einem "Eiland" vorstellt. Eigentlich sind es nur zwei Vulkankegel, Gesamtfläche 5,3 qkm. Laut Handbuch gibt es zwei Häfen, keiner ist sicher. Trotzdem, wir wollen hin. Nach einer rauschenden Überfahrt mit 7 bis 8 Knoten Speed und kräftiger "Stutgeron-Welle" erreichen wir die Insel nach fünf Stunden.

Der Hafen ist leicht zu finden. Das Ambiente ist unvergleichlich: Es sieht aus, als sei der Hafen (oder was sich dafür hält - siehe weiter unten) mitten in das Kraterbecker eines Vulkans hineingebaut worden. Rundum erhebt sich eine steile schwarze Lavawand, vorn ist eine Betonpier zementiert. Am inneren Ende sehen wir eine Art Badestrand mit drei Sonnenschirmen, die sich blendend weiß vom schwarzen Sand abheben.


Coco und die Trawler im Hafen von Isola Linosa

Am Molenkopf schaukeln vier riesige französische (!) Tunfisch-Trawler im Päckchen kräftig auf und ab und versperren die Sicht auf's Innere; vor der Einfahrt drehen noch ein paar ihre Kreise. Wir wundern uns, was die Riesendinger hier auf dieser Miniinsel tun; als wir später fragen, erfahren wir, dass sie hier Schutz suchen bis die See wieder ruhiger wird.

Wir tasten uns vorsichtig gegen den Wind an die Mole heran, Meter um Meter. Wir sehen, dass hinter den Trawlern der Rest der Mole bis auf einen einzigen Fischerkahn völlig frei ist. Super, da gehen wir längsseits, e basta! Aber - Überraschung: entlang der gesamten Mole liegen große Steine am Grund. An längsseits gehen ist überhaupt nicht zu denken. Also Abbruch, Kreise drehen. Es pfeift nicht schlecht und wir bemühen uns nach Kräften, Kontakt mit den Steinen, den Trawlern und dem Grund zu vermeiden.

Wir unternehmen mehrere Ankerversuche im Hafenbecken. Doch im gesamten Bereich liegen immer wieder Brocken knapp unter der Oberfläche. Irgendeiner stört immer. Schließlich legen wir den Haken provisorisch auf den Grund, beten, daß Coco für eine Zeit lang selbst aufpaßt und berufen im Cockpit eine Krisensitzung ein. Die Situation: Wind 5-6 Bft Südost, zunehmend; kräftige Welle im Vorhafen; erträglicher Schwell hinter der Mole, dort aber viele Steine; Ankermöglichkeiten miserabel; längsseits an der Mole unmöglich. Die Alternativen: Sizilien liegt ca 100 sm nördlich, dorthin wollen wir nicht. Zurück nach Lampedusa? Never, freiwillig schenken wir keine Meile her. Und gleich weiter nach Malta? 80 Meilen fast gegenan, nein danke! Also bleiben wir. Die Lösung: Wir gehen römisch-katholisch, also mit Buganker, Heck voraus, an die Pier und halten uns mit unseren längsten Landleinen 10 Meter fern von Beton und Steinen. Auf dem kleinen Fischerboot sind derweil zwei Mann aufgetaucht, sie helfen uns mit einer eigenen Leine. Mit vereinter Kraft liegen wir schließlich gut.

Tagesfazit: Fünf Stunden Segeln, drei Stunden Anlegen.

Was wären wir Freizeitskipper ohne die hilfsbereiten Berufsfischer? Für Herta sind sie mittlerweile "die wahren Helden der Meere". Wenn uns bei kräftigem Wetter vom Geschaukele angst und bang wird, und wir sichten irgendwo weit draußen einen dieser kleinen Kähne, wie er ohne den sicheren, schweren Bleikiel einer Segeljacht in den Wellen auf und ab tanzt, dann wird klar, daß die Jungs diesen Titel wahrhaft verdienen.

Bei der Anlegeaktion im Westhafen von Linosa lerne ich auch gleich das beste Schnorchelrevier der Insel kennen. Es ist hier, mitten im Hafen. Dort ist zugleich auch der beste - weil einzige - Sandstrand der Insel. Pechschwarz, wie alles hier. Nein, nicht alles: die Häuser im nahe gelegenen Dorf sind knallig bunt bemalt, Gelb, Rot, Blau, Grün. Wir fühlen uns an einem unwirklichen Platz, einerseits die düstere Vulkaninsel, andererseits eine fröhliche, karibische Dorfidylle! Phantastisch!


Farbenfrohe Postkartenidylle

Wir erklimmen auch den Gipfel unseres Vulkans. Auf dem Weg kommen wir an mehreren Kratern vorbei. Mitten drin, am Kratergrund, sind kleine Plantagen mit niedrigen Natursteinmauern umgrenzt, darin Kakteen. Wir steigen weiter auf, über Schutt- und Geröll, rutschig und steil aufwärts. Oben angelangt, eröffnet sich ein atemberaubender Anblick. Bis zum Horizont die silberne See, zu unseren Füssen der einsame kleine Hafen, darin die Boote im grünen Wasser, rundum schwarz, rot und hellbraun die Insel. Einen solchen Anblick genießt man nicht oft, dafür lohnt sich jeder Weg!


Atemberaubender Ausblick vom Vulkan

Wieder zurück im Hafen, schnappen wir beim Plausch mit den Fischern was von "Mistral" auf. Nichts Bestimmtes, aber einer der Fischer hat "so ein Gefühl". Wir legen mal den Zweitanker noch in Luv auf den Grund und harren gemeinsam der Dinge. Gegen Abend läßt der Südwind nach, der seit zwei Tagen kräftig weht. Wir entspannen uns, es ist fast Flaute. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit legen die Fischer dann aber überraschend ab und ankern in der Bucht gegenüber. Wir fragen uns, ob die was wissen und wir nicht, bleiben aber. Den Platz an der Mole hatten wir uns ja schließlich hart erkämpft. Das bereuen wir in den folgenden 12 Stunden bitter. Eine Stunde später, es ist stockdunkel, beginnt der Tanz. Der Wind hat gedreht, jetzt bläst der Maestrale kräftig aus Nordwest um den mittlerweile unsichtbaren Vulkankegel und drückt gegen die Pier. Binnen Kurzem steht kräftiger Schwell und läßt uns fröhlich Aufzug fahren. Wie gut, dass wir den zweiten Anker draussen haben und mit unseren längsten Leinen gut weg sind vom Beton. Trotzdem wird es eine Höllennacht. Wir tun kein Auge zu. Im ersten Morgenlicht klaren wir auf, lösen die Leinen, gehen Anker auf und verlegen uns demütig in die Nähe unserer klügeren Freunde. Man weiß es ja immer besser, und der deutsche Wetterbericht hat ja nichts davon gesagt (den guten italienischen Meteomar über UKW-Funk konnten wir hier nicht reinkriegen). Ich jedenfalls verspreche Herta, dass wir das nächste Mal, wenn sich ein Fischer in unserer Nähe auch nur zehn Meter bewegt, sofort mit dabei sind.

Am Ende des Tages hat sich das Wetter beruhig. Es steht zwar noch eine ruppige Welle, die der Mistral aufgebaut hat, aber alle Vorzeichen sind gut. So fassen wir mal wieder einen unserer schnellen Entschlüsse, lichten Anker und verlassen mit der untergehenden Sonne das malerische Eiland Linosa mit rechtweisendem Kurs 82 Grad, Malta.


Abschied von Linosa

Die Überfahrt ist teils heftig, teils ruhig. Die erste Hälfte legen wir unter Segeln mit schönem raumem 5er-Wind in schneller Fahrt zurück. Die immer wieder von backbord anrollenden Brecher nimmt Coco eins-A. Als dann aber um 0200 Uhr der fahle Mond genau vor uns aufgeht, geht der Wind fast schlagartig zurück auf nahe Null. Die Dünung bleibt. Maschine an. Unter diesen Bedingungen die Segel stehen zu lassen bedeutet massiven Materialverschleiß, weil sie mit jeder Welle rabiat hin und her flappen. Also weg damit. Nur ein kleiner Rest des Großsegels bleibt stehen, zwecks Stabilisierung. Uns haut's rum, aber beim Wachwechsel stehen wir vor Gozo, unter den rosa-goldenen Strahlen der Morgensonne.

Wir setzen die maltesische Flagge und gehen durch den Comino-Channel, runden das nordwestliche Kap Maltas und legen uns erst mal in der St. Paul's Bay vor Anker. Genau hier hat damals der heilige Paulus Schiffbruch erlitten, und bei der Gelegenheit gleich Malta missioniert. Was für ein herrlicher Platz! Hellbraune Klippen über dem glasklaren Wasser. Coco schwebt förmlich über dem Sandgrund, wir erkennen am Boden jedes Steinchen klar wie durch eine Glasscheibe. Im Augenblick sind wir illegale Einwanderer, wir haben die vorgeschriebenen Einklarierungen bei Zoll und Immigration noch nicht erledigt. Aber erst ist mal Ausschlafen auf dem Plan. Man will den Offiziellen ja nicht mit Ringen unter den Augen gegenüber treten. Schnell noch zur Erfrischung eine kleine Runde ums Boot geschwommen, dann ab in die Koje.

Kurz nach Mittag ist die Besatzung der Cocodemer wieder vollzählig und bei einigermaßen klarem Bewußtsein an Deck versammelt. Um den Formalien Genüge zu tun, aber auch, um unsere Wasser- und Dieselvorräte wieder aufzufüllen, setzen wir die gelbe Quarantäne-Flagge unter der Steuerbordsaling und laufen Valetta an. Je näher wir an die Hauptstadt kommen, um so dichter ist die Küste besiedelt. Kein Quadratmeter ist ungenutzt. Ein Hochhaus neben dem anderen, die Hügel dahinter dicht an dicht bebaut, es ist unglaublich. Beim Einlaufen begrüßen uns die gewaltigen Festungsanlagen des Fort St. Elmo. Nach der vielen Natur auf unserer bisherigen Reise wirkt das alles hier auf uns reichlich überdimensioniert. Der Naturhafen von Marsamxett Harbour mit seinen drei Seitenarmen und Manoel Island in der Mitte ist riesig. Unmittelbar südlich von Marsamxett liegt noch der gigantische Grand Harbour, der aber vorwiegend der Grossschifffahrt vorbehalten ist. Dort liegen unsere natürlichen Feinde (besonders auf Nachtfahrten), die Riesen der Meere: Containerfrachter, Tanker und Kreuzfahrtschiffe. Getrennt sind die beiden Häfen durch die Landzunge, auf der die Stadt Valetta liegt.


Fort St. Elmo bewacht die Einfahrt von Valetta

Vor Manoel Island legen wir an. Laut Handbuch sollen dort die Behörden ihre Büros haben. Hier ist gerade eine neue private Marina im Entstehen, die wir so zufällig entdecken. Marc, der freundliche Manager, weist uns persönlich einen Platz zu mit 2 Grundleinen (ein seltener Luxus!). Als wir dann einklarieren wollen, erfahren wir, dass die Zollbehörden hier schon lange nicht mehr ihren Sitz haben, sie sind vor Jahren umgezogen zur Msida Marina im nächsten Seitenarm, wo es Liegeplätze für 900 (!) Jachten gibt. Was soll's, ich pack den Klapproller aus und düse hinüber. Doch wir haben 35 Grad, und so stehe ich trotz des erfrischenden Fahrtwinds kurze Zeit später im Schweiße meines Angesichts vor dem Immigration Officer. Unseren vorangegangenen Ankerstopp verschweige ich auf die entsprechende Frage, und so geht alles reibungslos, ich bin bald wieder entlassen. Nun sind wir legalisiert. Solcherart im Status gestiegen, führt der erste Weg zum Bancomat. Malta ist kein EU-Staat und hat als Währung das Maltesische Pfund, auch Lira genannt. Euros werden nur widerwillig akzeptiert. Kurz nach der Euroumstellung gewöhnen wir uns wieder ans Bezahlen mit Kupfer- und Nickelmünzen; hier ist Kleingeld noch was wert, und entsprechend häufig im Gebrauch.

Valetta erscheint riesig, doch beim Spaziergang durch die Stadt zeigt sich, dass sie gut zu Fuß zu erlaufen ist. Die Stadt zählt zu den ersten, die vollständig am Reißbrett entworfen wurden, und das bereits Mitte des 16. Jahrhunderts. Die Gassen verlaufen schachbrettartig, führen manchmal steil bergauf und bergab, mit Treppen statt Gehsteigen. Oft hat man einen Blick bis zum Meer auf der anderen Seite. Die Häuserfassaden aus helbraunem Sandstein wirken vornehm, leicht und luftig. Wesentlich zu dieser Wirkung tragen die berühmten Holzbalkone bei, die an nahezu jedem Haus zu finden sind. Fast immer grün gestrichen, erlauben sie durch die Variierung der Fensterstellungen eine Klimatisierung der Innenräume, und ausreichend "privacy" für die Bewohner.


Die berühmten grünen Holzbalkone

Mit unserem kleinen Beiboot und dem 3 PS Yamaha Außenborder unternehmen wir auch eine kleine Hafenrundfahrt. Leider geht uns dabei irgendwann der Sprit aus, und unser Quirl will nicht mehr anspringen. Natürlich passiert das genau beim Queren der Hafeneinfahrt. Wie schon erwähnt, handelt es sich hier um einen größeren Hafen, einen der größten im Mittelmeer, um genau zu sein...! Klar, dass gerade eine Regatta zu Ende ist und die Heimkehrer dem heimatlichen Hafen zustreben. Es gelingt uns, auf unser Mißgeschick aufmerksam zu machen, und eine schöne Jacht unter Kevlarsegeln fährt dicht bei uns eine sportliche Wende, wir halten den Atem an, sie geben eine Leine über und nehmen uns in Schlepp. Alles sehr gekonnt und molto elegante, die Flagge weist die Crew als Italiener aus, bella figura, claro. Leider versinkt die zugeworfene Visitenkarte mit deren Internetadresse in den Fluten, so können wir unseren Dank emailtechnisch nicht gebührend abstatten.

Zu den weniger ruhmreichen Kapiteln Maltas gehört die maltesische Küche. Sie ist englisch beeinflußt. Jeder weiß was das heißt: man träumt beim Essen von Italien! Nach einigen als gescheitert zu bezeichnenden Versuchen, uns der maltesischen Küche vorurteilsfrei und freundschaftlich zu nähern, konzentrieren wir unsere maltesische Diät auf Spare Ribs und Chicken Wings und fühlen uns damit zunächst einigermaßen sicher. Doch auch da ist man vor Überraschungen nicht gefeit. So entpuppen sich "Spicy Chicken Wings with Chili Sauce" schon mal als Gummibroiler mit Ketchup. Man kann uns ja nun wirklich nicht nachsagen, wir würden Engländer nicht schätzen. Einige unserer interessantesten Segelbekanntschaften sind Engländer, und wir freuen uns immer, wenn Engländer neben uns ankern, weil die das am besten machen. Last not least segeln wir ja auch selbst ein englisches Schiff. Doch was das Essen angeht, so können wir nur schwer nachvollziehen, wie diese Nation den Lauf der Geschichte bei solch einer Kost überleben konnte.

Unsere Streifzüge durch maltesische Supermärkte waren bisher auch nicht die reine Freude. Das Sortiment trifft den englischen Geschmack, natürlich. "Liver and Apple Paste" hört sich nicht berauschend an, ebenso "Mushroom Garlic Soup". Wenn man dazu noch die Fotos auf den Packungen betrachtet, beschließt man gerne, zunächst die Brotreste an Bord nochmal aufzubacken. Und natürlich gibt es die berüchtigte englische Dosenspezialität in 'zig Variationen: Cooked Beans, White Beans, Red Beans, Black Beans, Kidney Beans, Elephant Beans, Baked Beans, Butter Beans...

Neben den bekannten internationalen Biermarken in grünen Flaschen oder Dosen, kommt hier selbstredend vor allem englisches Bier, gerne verspottet, zum Ausschank. Als Franke, also gewissermaßen von Geburt an in Bierfragen durchaus bewandert, wage ich zu behaupten, dass das englische Bier - Ale, Lager oder Stout - so übel gar nicht ist. Allerdings braucht man, um es zu genießen, die Atmosphäre eines guten Pub. In fränkischen Biergärten käme es sicher zu Ausschreitungen.

Neben dergleichen gewagten kulinarischen Ausflügen unternehmen wir auch allerlei kulturelle und "naturkundliche" Streifzüge durch die maltesische Inselwelt. Doch dazu später mehr.


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