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Korfu / Juni 2003

220 Kilo, 50 Kubikzentimeter

Seit zehn Tagen in Griechenland - und wir liegen noch immer in Gouvia Marina. Nicht vorwiegend, weil es hier auf Korfu so schön ist, sondern weil die altgediente Coco-Crew in brütender Hitze technische Höchstleistungen erbringt. Unsere lieben Freunde von der SY "Michelle" spotten, ob man uns denn schon die Ehrenbürgerschaft von Gouvia angetragen habe. Aber was wissen die denn schon...?

Von der Instandsetzung leckender Toiletten über die Montage schienbeinschonender Rundleisten am Niedergang bis hin zum Anschluss von Solarmodulen bei 40 Grad Aussentemperatur sind uns mittlerweile weder fein- noch grobmotorische Arbeiten mehr fremd. Auch bei der Überredung verschiedenster fremdsprachiger Mitmenschen zur Ausführung ungeliebter Arbeiten haben wir es zu einer gewissen Fertigkeit gebracht.

Es boten sich auch bereits reichlich Gelegenheiten, Kontakte zur Bevölkerung zu knüpfen. Mit Sofia von der DANZAS Niederlassung Thessaloniki sind wir per Du, mit Elias und Stathis vom Volvo-Service teilen wir unser Bordbier, Peter von Boatman's World wurde ernannt zum offiziellen Bordlieferanten von schwarzen Kabelbindern (schwarze sind UV-stabiler als weiße, das weiß man als Mittelmeer-Segler, und natürlich schwer zu bekommen...), Dimitri, der Marinakapitän, träumt nachts schweißbadend von Coco de mer und der Suche nach verschollenen Lieferungen...

Doch jetzt mal die Geschichte der Reihe nach:

Gerade in Korfu gelandet, droht uns schon am Flughafen der Hitzschlag. Korfu stöhnt im Juni unter Augusthitze: 45 Grad im Schatten! Das lähmt alle Lebensgeister, selbst kleinste Aufgaben werden nur noch zeitlupenartig abgearbeitet. Mit Mühe und weit offenen Fenstern überleben wir die Taxifahrt zur Marina, wo uns Coco schon am Liegeplatz erwartet. Leider noch ohne Stromanschluss, und so ist der Kühlschrank kalt. Und leer. Aber unser Stegnachbar Terry von der SY "Mardling" langt uns gleich mal zwei eisgekühlte Bier über die Reling. So beginnen Seglerfreundschaften!

Am nächsten Morgen, nach durchschwitzter Nacht, die erste - und wichtigste - Maßnahme des Tages: Sonnensegel raus! Diesen und die folgenden Tage verbringen wir mit Arbeiten am Schiff, unterbrochen immer wieder von unfruchtbaren Versuchen, den Aufenthaltsort unserer seit Wochen vermißten Sendungen aus Deutschland festzustellen. Die Spedition erklärt, die Sendung sei schon abgeliefert, die Marina weiss davon nichts. Von unserer zweiten Lieferung - Solarmodule per Post/DHL, weiß sowieso niemand irgend etwas. Wenn die Coco-Crew mehrmals täglich das Marinabüro betritt, flüchten die Mädels, wenn sie es noch schaffen, und der Marinakapitän verdreht die Augen gen Himmel.

In diesen Tagen ist unsere größte Freude die abendliche, kühlende Dusche am Achterschiff.


Die Solarmodule sind eingetroffen!

Nach vier Tagen dann die erste frohe Kunde: Die Solarmodule sind eingetroffen! Wir feiern! Und einen Tag später, endlich, auch der ersehnte Anruf aus dem Marina-Büro: "Die Lieferung von DANZAS ist da!!" Der Spediteur, der die Sendung schlicht und einfach in seinem Lager vergessen hatte, stellt die Palette am Eingang zu den Piers ab und macht sich eiligst aus dem Staub. Satte 140 Kilo starren uns an. Herta, nicht unclever, versucht, bewaffnet mit ihrem knappsten Bikini, im Marinaoffice jemanden zur Unterstützung zu überreden, doch da haben wir uns geschnitten: gerade in dieser Notsituation sind nur Damen im Büro, und die fahren auf Kundinnen im neongelben Bikini nicht so recht ab. Der Chef, Dimitri, ist leider gerade beim Zahnarzt. Also müssen wir halt selbst sehen wie wir mit unserem Paket weiter kommen. Doch das Glück ist uns hold: Elias und Stathis, die beiden Marina-Mechaniker, kommen eben vorbei, sehen Herta, sehen das Problem, und schon ist die Lösung gefunden: Sie wollen nur schnell ihr Motorrad holen, damit schaffen wir das Ungetüm dann schon zum Schiff. Wir erwarten nun mindestens eine 750 ccm Beiwagenmaschine, statt dessen kommen die beiden auf einem altersschwachen 50 ccm Roller angedüst. Wir glauben's nicht, aber die zwei sind unerschütterlich. Der arme kleine Roller wird aufgebockt, zu dritt heben wir die 140 Kilo darauf (am Stück, so wahr ich hier sitze), Stathis quetscht noch seine 80 Kilo hinter den Lenker, der Roller stemmt nun stolze 220 Kilogramm! Er ächzt merklich, doch wider Erwarten gibt der Roller nicht nach. Elia und ich stützen die wertvolle Fracht seitlich ab, und schon geht es im Laufschritt hinaus auf die schwankende Holzpier! Gut wenn man keine Zeit zum Überlegen hat. Spannend wird es, als wir zu der Stelle kommen, wo unsere Pier von der Hauptpier abzweigt. Im rechten Winkel, wohlgemerkt. Düster blicken sich unsere beiden griechischen Helden an, wechseln ein paar Worte in ihrer Muttersprache, die wohl nicht für unsere Ohren bestimmt sind, ich will gerade was sagen, da gibt Stathis aber schon Gas - und es ist geschafft! Von heute an habe ich enormen Respekt vor griechischem Kampfgeist!


220 Kilo auf 50 Kubikzentimetern

Was macht der Yachtsmann, wenn das Spülwasser nicht ablaufen will, weil die Spüle 2 Grad nach achtern geneigt ist und der Abfluss zum Bug hin liegt? Klar, er kauft mehr Edelstahlkette, um das Vorschiff zu beschweren und so die Neigung des Spülbeckens zum Bug hin zu "optimieren". Zugegeben, das war nicht der einzige Grund, der uns zum Kauf einer neuen, teuren Ankerkette bewogen hat. Die Lehren der Vergangenheit (z.B. die über 15 m tiefen Ankerplätze der liparischen Inseln) und die vor uns liegenden Orte mit oft ähnlichen Ankertiefen haben uns bewogen, die längere Kette anzuschaffen. Nun haben wir zwar 20 Kilo mehr Gewicht im Bug, aber das gleichen wir locker aus indem wir mehr Wein und Bier achtern bunkern.

Unsere 3 Jahre alte Edelstahlkette (50 Meter, 8 mm) haben wir unserem bewährten Peter von "Boatmans World" in Korfu in Kommission gegeben. Mit dem russischen URAL-Beiwagenmotorrad, darauf Peter, ein riesiger Sackkarren, unsere gut 70 Kilo Nirosta-Kette und ich, düsen wir durch Kontokali zu Peter's Laden. Unterwegs brüllt er mir vom Fahrersitz frohgemut zu, dass er die Maschine seit einem Jahr besitzt und schon dreimal aus der Kurve geflogen sei. Ich bin heilfroh, als wir unfallfrei ankommen...

Nun, da die Sendungen aus Deutschland eingetroffen sind, gibt es nicht nur Montagen zu ebener Erde, sondern auch einige im Masttop. Ich klettere zwar mittlerweile hinauf, wenn es sein muss, aber ich reiße mich nicht gerade darum. Zumal ein professioneller Botosmannsstuhl für umfangreichere Arbeiten wie diese unabdingbar ist, und den haben wir nicht. Der Engländer Will, den wir letztes Jahr in Süditalien kennengelernt haben, arbeitet seit Oktober hier in Gouvia für diverse Charterfirmen und Schiffseigner. Beim vierten Bier spät nachts im Cockpit von Coco gelingt es uns ihn zu überreden, ein paar "kleine Arbeiten am Mast" für uns zu machen. So zum Beispiel unsere neu erworbenen Maststufen anzubringen. "Ok, no problem"; und eine Fockfall-Öse zu ersetzen: "aahmm, yes, of course"; und wenn er doch schon mal dabei ist, wären da noch ein paar weitere kleine Reparaturen im Masttop auszuführen, Kleinigkeiten, wirklich, nur eine neue Antenne und ein neuer Verklicker (Windrichtungsanzeiger). "Oh, I like you" ist sein einziger Kommentar. Wir belassen's dabei, wenn er erst mal oben ist, können wir ihm ja den Rest noch sagen.. Falls er sich noch blicken läßt...

Und tatsächlich, was ein britischer Gentleman verspricht, das hält er. Bei über 40 Grad hängt Will fast fünf Stunden droben in schwindelnder Höhe und bohrt, nietet und lötet, dass es eine Freude ist. So bekommen wir auch da oben noch alles in Schuss.


Will erklettert am Vorstag den Mast ...
... während ich die Kabel für die Solarpaneele anschließe

Irgendwann ist jede Arbeit fertig, so auch auf Coco. Nach zehn Tagen schlagen wir endlich Groß und Genua an, setzen den Diesel in Gang und laufen aus, Kurs Paxos. Der Volvo schnurrt wie ein zufriedenes Kätzchen. Dreissig Meilen und 5 Stunden später laufen wir ein in unserer Lieblingsbucht Lakka. Wir ankern auf dem mittlerweile schon bekannten, klaren, türkisfarbenen Wasser, lassen die Seele baumeln. Abends besuchen wir unser Lieblingslokal, Jackie's "Klimataria", wo ein englisches (!) Paar, man glaubt es kaum, das beste Essen der nördlichen ionischen Inseln zubereitet. Zum Absacker sitzen wir dann noch in einer der kleinen Bars an der Pier. Griechische Musik schallt über die Bucht, über uns strahlen die unzähligen Sterne des Mittelmeeres, der Törn beginnt...


Kurs Paxos!



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