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Saronischer Golf & Kykladen, August/September 2003

Zu den Inseln des Lichts

Im Süden des Saronischen Golfs, quasi gegenüber von Athen, liegt Poros. Durch die enge Osteinfahrt segeln wir entlang der idyllischen Waterfront des Ortes hinein in das lagunenartige Revier, das wie ein abgeschlossener Binnensee vor uns liegt. Wir ankern auf 14 Metern Wassertiefe mit schönem Blick auf den Ort, der sich malerisch über zwei Hügel ausdehnt. Am Abend geht's per Beiboot zum "Sightseeing" an Land. T-Shirts und Souvenirs gibt es reichlich, doch an trendigen Boutiquen herrscht akuter Mangel - sehr zur Freude des Skippers, der sein Geld lieber in zünftigen Tavernen anlegt. Wir wählen eine im Ortskern unter einer riesigen Platane gelegene Taverne, mit angeschlossener Metzgerei; das halten wir für einen Hinweis auf leckere und frische Ware. Kurzum, es wird ein grandioser Flop. Selten haben wir so schlecht gegessen, fast alles geht zurück. Dann ist eben heute Diättag! Wird sicher auch mal nicht schaden.

Die nächste Nacht verbringen wir in einer einsamen Bucht in einem Seitenarm der Lagunenlandschaft. Coco wird achterlich mit Landleinen an den Felsen rechts und links verspannt, so schaffen wir uns zugleich unseren "privaten" Badestrand. Wir genießen die Einsamkeit des gefundenen Platzes, die schöne Natur, und essen heute an Bord.


Coco's einsamer Ankerplatz in der Nähe von Poros

Selbst wenn es manchem nicht so scheinen mag: Auch Kultur kommt auf unserem Törn nicht zu kurz! Selbstverständlich stehen Epidauros und Mykene, die berühmten antiken Stätten im Norden der peloponnesischen Halbinsel, auf unserem Ausflugsprogramm.


Im Theater von Epidauros

Im herrlich gelegenen antiken Freiluft-Theater von Epidauros genießen wir unter einem sternenklaren Nachthimmel die Aufführung eines klassischen Dramas - im griechischen Original. Wir verstehen kein Wort, aber das Erlebnis ist einmalig. Das Theater - erbaut im 5. Jh.v.Chr. - verfügt über eine phantastische Akustik: eine fallende Münze oder das Rascheln von Papier unten im Bühnenrund ist von jedem der 14.000 Tribünenplätze kristallklar zu hören!

Nach solch geistigem Labsal ist doch ein Segeltag an frischer Luft genau richtig! Doch anderntags ist Fehlanzeige mit frischer Luft: Bei absoluter Flaute motoren wir in hitzeflirrender Luft gen Aegina. Die große Insel in der Mitte des Saronischen Golfs ist ein bequemer Zwischenstopp auf dem Weg ostwärts, besonders für die Segler, die durch den Kanal von Korinth kommend aus dem ionischen Meer in die Ägäis wollen. Auch ist der Hafen der Insel eine Art Verkehrsknotenpunkt, mit guten Fährverbindungen zwischen Athen und Peloponnes.

An der Yachtpier gibt es Stromanschluss! Prima, da bringen wir doch gleich mal wieder unsere Batterien auf Vollladung! Die erste Freude wird gedämpft, denn Anschlüsse sind rar. Und alle belegt. Ich erinnere mich, dass wir seit unseren Mallorcazeiten eine Mehrfachsteckdose mitführen; irgendwo muß das Ding doch noch zu finden sein. Eine halbe Stunde später stürme ich aus den Tiefen des Schiffs an Deck: eine Dreifachdose!! Mit unseren beiden Stegnachbarn, Ian, Skipper der englischen Moody (!) "Arriba", und dem graubezopften Monegassen von der "Phri Ne", bin ich schnell handelseinig, Segler sind solidarisch: wir werden uns gemeinsam an eine Steckdose hängen und uns dann die Kosten teilen, da nach Verbrauch abgerechnet wird. So weit, so gut. Nun müssen wir noch einen Verantwortlichen finden, denn der Zugang zum Strom ist uns mit einem Vorhängeschloss versperrt.

Wo sonst in Griechenland ein "Wassermann" für Wasserhahn und Stromanschluss verantwortlich ist, haben wir es hier mit einer Frau zu tun. Ha, denken wir uns, um so besser! Da können wir den Charme des vereinten männlichen Europa geballt einsetzen! Also setzen sich 120 Kilo England, 100 Kilo Monaco und 70 Kilo Deutschland gemeinsam in Bewegung, um das Vorhaben zu erläutern.

England kann naturgemäß am besten englisch, also tritt Ian vor die weibliche Autoritätsperson und erklärt: "You see: this is my boat (deutet), this is the french boat (deutet), this is the german boat (deutet)! Understand...?" Er erntet ein freundliches Nicken; so fährt er fort: "Here we have one socket, ok?" Nicken. "There we have three boats, ok?" Wieder ein Nicken, na bitte, es funktioniert. Nun erläutert er unsere grandiose Idee: "So we put this multiplyer into your one socket, then we connect our three cables - and all three boats are supplied with electricity. Bingo! ...Understand?" - Pause.- Nochmal: "...understand...?" Kopfschütteln auf griechischer Seite: "Yes understand. But only one socket for one boat!" - Aha, das war dann wohl doch noch nicht ganz klar. Also nochmal von vorne. Diesmal dreisprachig, englisch-deutsch-französisch. Unser griechisches Gegenüber blickt uns immer verzweifelter an, was wir wiederum verstehen. So schlagen wir eine praktische Demonstration unserer Idee vor. Wir bewegen die Dame, uns das Schloss zu öffnen; die erste Hürde ist genommen. Alles wird angeschlossen, und siehe da, jetzt versteht sie.

Doch da lauert schon die nächste Hürde: "How pay..??" Wir blicken triumphierend, denn dafür haben wir natürlich eine geniale Lösung parat: der Gesamtverbrauch wird am Zähler abgelesen, wir teilen dann durch drei. Einfach, nicht...? Doch was hören wir da? "Ochi! No!". Leichte Verzweiflung schleicht sich in unsere Runde: "So why not?" - "Because you are three, and everybody has to pay!" Ja, das ist ja klar, natürlich wird jeder seinen Verbrauch zahlen. Wenn wir aber doch den Gesamtverbrauch teilen, dann ist doch alles ok?! Nichts ist klar. Sie will von jedem einzeln kassieren, denn jeder hat ja Strom verbraucht...

Ich mache es jetzt kurz. Der Abend dämmert bereits herauf, als drei europäische Skipper erschöpft heimkehren zu ihren Schiffen. Letztlich konnten wir die Dame überreden. Soll noch einer sagen, wir Segler hätten ein einfaches Leben...!

Nach derart anspruchsvollen Erlebnissen müssen wir den Kopf wieder frei bekommen. Was wäre dafür besser geeignet als ein Segeltörn zu den Kykladen - den "Inseln des Lichts"?!

Auf dem Weg dorthin passieren wir Athen, die Stadt, die sich mit dem zweifelhaften Beinamen "häßlichste Großstadt Europas" schmücken darf. Jeder, mit dem wir bisher über Athen sprachen, hat uns mehr oder weniger eindringlich von einem Besuch abgeraten. Von "Zeitverschwendung" bis zu "Smogvergiftung" reichte die Palette der Argumente. Ausschlaggebend sind schließlich die auf Coco gemessenen 38 Grad im Schatten. So fällt also unser obligatorischer jährlicher Großstadtbesuch letztlich der Hitzewelle zum Opfer, und wir segeln vorbei an zahlreichen Großschiffen, riesigen Frachtern und Tankern, die vor Piräus auf Reede liegen und warten, bis sie zum Löschen der Ladung in den Hafen dürfen. Der Himmel ist schwarz von Abgasen. Am abendlichen Ankerplatz irgendwo südöstlich von Athen sorgt dann die Smogwolke des Molochs für einen unbeschreiblich roten Sonnenuntergang.

Am nächsten Morgen wagen wir den Sprung in das Traumrevier der Kykladen!

Das erste Ziel in diesem für uns neuen Revier heißt Kithnos. Unser Buch mit Luftaufnahmen der griechischen Inseln zeigt herrliche Ankerbuchten, großräumig, sicher und gut geschützt.


Herrliche Ankerbucht auf Kithnos
(Luftaufnahme aus dem Buch "Griechische Küsten aus der Luft" -> 
siehe Bücherschapp)

Vor nicht allzu langer Zeit hätten wir nicht geglaubt, dass uns 6 Beaufort mal wirklich Spaß machen würden. Doch heute, an unserem ersten Meltemi-Tag, genießen wir es, wie Coco mit Rumpfgeschwindigkeit über die Wellen jagt. Wie schon mal gesagt: Rückenwind ist was Feines! Am späten Nachmittag erreichen wir unser Ziel im Westen der Insel Kithnos, der Anker rasselt auf sandigen Grund, wir feiern unsere Ankunft in den Kykladen an Bord, mit Wein aus Monemvassia. Der Wind pfeift uns ein Schlaflied.

Unser zweiter Meltemi-Tag beginnt morgens mit gemächlichen 4 Beaufort aus Nord. Wir machen uns auf den Weg nach Süden, zur Insel Serifos. Schon bald brist der Meltemi bis 6 Beaufort auf, ideal für unseren Vorwindkurs. Doch es geht stetig weiter nach oben auf der Skala. Bei 30 Knoten Wind, guten 7 Beaufort, reffen wir erstmals. Bei 40 Knoten wird uns mulmig. Mittlerweile kommt auch eine ganz schöne Welle angerauscht, mit dem gerefften Vorsegel allein liegen wir nicht so stabil, Coco rollt, macht ihre Sache aber ausgezeichnet. Böen knattern heran, einmal lesen wir die Zahl "46" am Windmesser. Ab 48 Knoten hätten wir 10 Beaufort, na herzlichen Dank! Uns Neuankömmlungen soll heute offenbar eine Lektion in Sachen Meltemisegeln erteilt werden. Und es wirkt: wir nehmen uns definitiv vor, die Windverhältnisse hier in Zukunft nicht zu unterschätzen.

Unser geplantes Tagesziel, den Ort Livadi auf Serifos, verschieben wir; zunächst suchen wir Schutz in einer Bucht im Süden der Insel. Eine kurze Strecke müssen wir hart gegenan, und wir werden von den überkommenden Brechern geduscht wie noch nie! Beim Reffen des Vorsegels sind wir binnen Sekunden nass bis auf die Knochen. Also Ölzeug! Im August! Dafür entschädigt uns dann aber der schöne Ankerplatz. Sandgrund, Sandstrand, ein paar Bäume, und sogar eine Taverne! Nur eine Handvoll Yachten liegt hier vor Anker und wartet auf "bessere Zeiten". An Land sind aufgegebene Eisenminen zu sehen, die Gegend soll so voller Erz sein, dass Schiffskompasse fehlerhaft anzeigen. Abends sind wir zwei die einzigen Gäste in der einzigen Taverne am Strand. Der Wirt öffnet trotzdem für uns, wo gibt es das noch? Allein unterm Sternenhimmel, die Füße im Sand, vor uns schwoit Coco im Wasser der Ägäis, Wein und Brot auf dem Tisch: es geht uns gut.

Am frühen Morgen des nächsten Tages wollen wir, clever wie wir nun mal sind, weiter "um die Ecke", nach Livadi. Morgens soll der Wind noch schwächer sein - wer hat den Mist erzählt?! Kaum draußen, zeigt uns der Meltemi gleich die Zähne. Wieder 7, 8, 9 Beaufort. Dazu wild übers Wasser peitschende senkrechte Wasserfontänen - "flurries" - und fliegendes Wasser vor schroffen Felsklippen im Morgenlicht. Schaurig schön!

Wenige Meilen später sind wir dann in Sicherheit. Wir liegen vor Livadi, aus den hohen Bergen sausen Fallböen herab und zerren am Ankerplatz, aber wir haben beide Anker draussen und dazu alles, was wir an Kette und Leinen haben. Die "Chora", die schneeweisse Altstadt oben auf der Bergspitze, schaut auf uns herab.



Die "Chora" (Altstadt) von Serifos

"Unsere" erste Chora! Die blendend weiß gekalkte Altstadt mit ihren gepflasterten Gassen und Stufen, den leuchtend blau gemalten Türen und Fenstern. Die Ruhe. Was für ein Genuß! Wir schlendern durch den Ort hoch oben am Berg, trinken frisch gepressten Orangensaft und griechischen Kaffee, genießen atemberaubende Aussichten.

Der Wetterforecast sieht gut aus für die nächsten Tage. "Nur" noch 5 bis 6 Beaufort. Bei angenehmer achterlicher Brise segeln wir also auf Raumschotskurs hinunter nach Sifnos. Und finden ein Kykladen-Highlight! Die Bucht von Vathi hat klarstes Wasser, Sandgrund, und ist praktisch rundum geschützt. Üblicherweise schnorcheln wir mindestens 30 Meter weit zum Anker, um zu prüfen, ob er sich gut eingegraben hat. Hier jedoch genügt ein Blick vom Bug des Schiffes aus, fast 40 Meter weit unter Wasser, so klar ist es!


Die alte Kirche in der Hafenbucht Vathi auf Nisos Sifnos

Auch auf Sifnos besuchen wir die Chora, die Altstadt. Dazu nehmen wir den Bus, der hier, wie auf vielen der Inseln, mehrmals am Tag die Ortschaften verbindet. Doch heute leide ich unter Aufnahmestopp. Diese "Krankheit" kenne ich aus den Vorjahren. Irgendwann ist einfach Pause, ich kann nichts mehr aufnehmen, keine noch so schöne Ankerbucht, keine noch so blendend weißen Häuser, keine noch so malerische Szene am Wegesrand. Tja, so ist das eben, wenn man wochen- und monatelang täglich neuen Schönheiten begegnet. Aber letztlich geht das auch wieder vorbei; ein, zwei Tage - bei guter Pflege ;-) - und alles ist wieder normal.

Ich beschäftige mich sinnvoll, spleiße ein Auge in's neue Tau für unsere Ankerketten-Klaue. Siehe da, es ist gar nicht so schwer. Herta kann das natürlich nicht auf sich sitzen lassen, und so spleisst sie ein paar dekorative Plattlinge (so eine Art geflochtene Bändsel) für die Verschlüsse unserer Relingsdurchgänge. Die alten sind so langsam zerfallen unter den aggressiven Strahlen der Mittelmeersonne. Unsere Coco wird mit zunehmendem Alter immer attraktiver!


Santorin

Santorin! Der Name steht für die Kykladeninsel schlechthin, für die Farben der Ägäis, für luxuriöse Urlaubsfreuden. Weil es in der Nähe der Hauptstadt keinen wirklich guten Ankerplatz gibt, lassen wir Coco auf der Nachbarinsel Ios zurück und besuchen die Vulkaninsel per "Flying Dolphin" (die "Flying Dolphin"-Schnellfähren verbinden die meisten der ägäischen Inseln). Santorin, von den Griechen Thira genannt, und ihre kleine Schwester Thirassia bilden den Rest eines zerborstenen Vulkankegels. Die Caldera, der Krater, liegt zwischen den beiden unter Wasser und wird auch von Kreuzfahrtschiffen angelaufen. Der Anblick beim Näherkommen ist grandios: gewaltige schwarzrote und braune Lavafelsen, tiefblaues Meer, ein unbeschreiblicher Himmel, und hoch oben kleben blendend weiß die Dörfer Oia, Imerovigli und Santorin! Postkartenmotive, wohin man blickt.

Unser geschlossenes, flugzeugähnliches Tragflügelboot legt am Fährkai an. Autobuskolonnen schaffen die herausquellenden Touristenmassen scharenweise hinauf in den Ort. Es ist wie am Rummelplatz, laut, voll und teuer. Das so herrlich gelegene Kykladendorf wird vergewaltigt. Souvenirshop reiht sich an Souvenirshop, Taverne an Taverne, dazwischen versuchen zahllose Schmuckläden den Tagestouristen das Geld aus den Taschen zu ziehen.

Dennoch, der Blick von der Insel ins gewaltige wasserdurchflutete Kraterrund ist einzigartig, und die Farben der Ägäis scheinen auf Santorin kräftiger zu leuchten als anderswo.


Santorin - die Farben der Ägäis


Vierbeiniges Taxi auf Santorin

Zu den schönen Seiten des Segelns gehört zweifellos, dass man, wenn einem der Trubel zu viel wird, das schnell ändern kann. Man geht ankerauf, und ein paar Stunden später ist man in einer anderen Welt.

So finden wir einige Tage später im Nordosten der kahlen Insel Amorgos ein vorgelagertes Eiland mit einer kleinen aber feinen Ankerbucht. Die Idylle ist weltabgeschieden, schroff - und wunderschön. Wir genießen die Ruhe, und bereiten uns auf einen neuen Abschnitt unserer Reise vor. Die südlichen Sporaden, die Inseln des Dodekanes, liegen voraus! Wir blättern im Pilot Book, lesen über die vor uns liegenden Inseln und Buchten, und betrachten phantastische Fotografien aus unserem Luftaufnahmen-Buch der griechischen Inseln (-> Infos im Bücherschapp).

Wir freuen uns auch, bald mal wieder gute Freunde an Bord zu haben, denen wir etwas von der Schönheit des Mittelmeeres zeigen können, das nun schon fast zu unserer zweiten Heimat geworden ist.


Die schroffen Klippen von Nisos Amorgos



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