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Dodekanes (südliche Sporaden), September 2003

Inseleinsamkeit und Angler-"Glück"

In letzter Zeit hat die Zahl "30" auf der Windmesser-Anzeige ihren Schrecken verloren. Bei 25 Knoten (6 Beaufort) freuen wir uns über angenehmen Segelwind, und wenn die Anzeige mal unter 20 Knoten fällt murrt der eine oder andere auch schon mal leise vor sich hin. Das hätte es vor einem Jahr bei uns an Bord noch nicht gegeben...

Nachdem wir in den ersten Tagen kräftig durchgewirbelt wurden, meint es die Ägäis in der Folgezeit ausgesprochen gut mit uns. Da wir wissen, dass der Meltemi stets aus nordwestlicher bis nordöstlicher Richtung weht, nutzen wir dies aus und planen unsere Route so, dass wir mit raumem oder achterlichem Wind segeln können. Und es funktioniert: meist haben wir in diesem berüchtigten Revier idealen Segelwind. Am Ankerplatz spielen wir einen weiteren Vorteil voll aus, den uns der Meltemi bietet: Anker einfach gen Nord werfen, wenn's sein muß direkt am Strand; die Wahrscheinlichkeit, dass Wind aus Süd kommen wird, ist während der Meltemi-Saison gleich Null. Das ist praktisch, so einfach war Ankern selten zuvor. (Nachmachen aber auf eigene Gefahr!)

Mittlerweile liegt die Inselwelt der Kykladen nun schon in Cocos Kielwasser. Vor den bekannteren Dodekanes-Inseln Leros, Kalymnos und Patmos liegt Levitha, etwa auf halbem Weg zwischen Kykladen und Dodekanes. Die kleine, einsame Insel bietet uns an ihrer Südseite eine sichere Ankerbucht zum Übernachten. Ein findiger Insulaner hat sich mit Muringbojen eine kleine zusätzliche Einkommensquelle erschlossen. Der ankommende Segler ergreift dankbar eine Boje - und macht sich damit tributpflichtig. Bei einer "Gebühr" von 6 Euro darf man aber nicht jammern. Von irgendwas müssen die Leute in dieser Einsamkeit leben, und Einfallsreichtum muß ja auch belohnt werden.


Coco an der Boje in Levitha

Nur eine einzige Familie lebt auf Levitha, von Fischfang, Schaf- und Ziegenzucht und den Einnahmen der Muringbojen. Außerdem betreiben sie eine kleine Taverne im Hof ihres Hauses. Dort findet sich des Abends die Cococrew als die einzigen Gäste ein. Wir werden freundlich bewirtet mit dem, was Küche und Keller heute hergeben: gegrillter Fisch, gebratene Auberginen, Brot und Wasser, Bier und Wein. Die Wirtin gesellt sich zu uns und wir erfahren ein wenig über das Leben hier: Die Insel ist nur im Sommer bewohnt, im Winter zieht die Familie nach Patmos. Im Sommer fährt man ein- oder zweimal pro Monat mit dem familieneigenen Fischerboot nach Patmos und beschafft benötigte Dinge wie frische Lebensmittel, Tierfutter, Diesel, Werkzeug. Strom liefert offensichtlich eine Solaranlage und ein Windgenerator! Auch eine Art Aussteigerleben, recht aufregend wird das Leben hier nicht sein. Unser Rückweg in stockdunkler Nacht mit langsam erlöschender Taschenlampe wird zum Irrlauf, wir stolpern über Felsen, irren durch trockene Bachbetten, finden aber schließlich doch noch glücklich zu unserem schwimmenden Heim.

Am nächsten Tag segeln wir weiter, wir wollen in den Norden der Insel Leros, wo beim Inselchen Archangelos ein schöner, abgelegener Ankerplatz sein soll. Ein angenehmer 5er Nordwest schiebt Coco dem Ziel entgegen. Unterwegs sehen wir endlich mal wieder Delfine!


Kristallklares Wasser auf N. Archangelos

Am Ankerplatz bei Archangelos bleiben wir gleich mehrere Tage. Das Wasser ist herrlich transparent, wir sehen den Grund auch noch auf zehn Metern Tiefe klar und deutlich. An Land ist die Umgebung kahl, steinig, braun, hier und da von kümmerlichem Bewuchs. Eine kleine Kapelle steht am Ufer, sonst gibt es nichts außer Ruhe, Einsamkeit, Ziegengeläut. Beim Schnorcheln entdecken wir zahlreiche Oktopusse, die sich am Grund in Erdhöhlen oder unter Felsen verstecken und sich ängstlich zurückziehen, sobald man sich nähert. Wartet man geduldig, lugen sie bald wieder neugierig hervor. Abends versinkt die Sonne im ruhig daliegenden Meer und färbt die Kuppen von Leros tiefrot. Ein phantastischer Ort!

Dieses kleine Inselarchipel zwischen Leros, Patmos und Samos ist ein Traum. Ein Ankerplatz ist schöner als der andere, jede Badebucht übertrifft die vorausgegangene, ein Höhepunkt folgt auf den anderen. Und es sind wenig Segelyachten, kaum Motoryachten, unterwegs. Überall ist reichlich Platz für uns und unser Schiff, wir können uns die besten Plätze aussuchen.


Coco auf Entdeckungsfahrt in den südlichen Sporaden

Langsam erkunden wir das Revier, lassen uns Zeit, treiben von Insel zu Insel. Die Entfernungen sind überschaubar, zehn, fünfzehn Meilen, höchstens mal fünfundzwanzig, Bequemsegeln ist das.

Auf der kleinen Insel Arki, südlich von Samos, lernen wir Chris und Denise kennen, die mit ihrer Segelyacht an der winzigen Pier neben uns liegen. Als sie sehen, wie wir vom Wasserhahn am Hügel sechzig Liter Wasser in Kanistern zum Schiff schleppen, laden sie uns - wahrscheinlich aus Mitleid - zum Sundowner auf ihr Schiff. Chris ist Engländer, Denise Irin, ihre beiden Gäste kommen aus Südafrika und Malta. So unterhalten wir uns an diesem Abend gewissermaßen in vier englischen Sprachen! Ist es schon heftig, wenn eine Irin englisch spricht, so ist südafrikanisches Englisch dann richtig starker Tobak. Chris, wir schätzen ihn auf runde sechzig Lenze, war früher Berufskapitän auf großer Fahrt. Weltumsegelungen sind also quasi sein täglich Brot, und so sind sie mit ihrer Yacht auch schon mehrmals um die Erde. Noch in diesem Herbst soll es wieder mal über'n Atlantik gehen, entweder in die Karibik oder zum Kap der guten Hoffnung, das haben sie noch nicht entschieden. In den nächsten Wochen wollen sie jedenfalls erst mal schnell rüber nach Gibraltar... Mit großem Respekt verabschieden wir uns anderntags; die vor uns liegenden Entfernungen sind da schon überschaubarer.


Ein schöner Ankerplatz im Süden von Lipsos

Viel Wind ist angesagt, gar mehrere Tage Sturm. So verziehen wir uns nach Leros in den Naturhafen Lakki. Die unfreiwillige Pause kommt nicht ungelegen, ich nutze sie zu konzentrierter Arbeit. Ja, es muss auch einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden: Auch an Bord wird gearbeitet! Damit meine ich nicht die täglich anfallenden Arbeiten der Schiffspflege, Nautik oder Seemannschaft, nein, "echte" Arbeit ist gemeint, also das, was ihr alle darunter versteht. Ein Kunde braucht dringend einen Prospekt, und da lasse ich ihn natürlich nicht hängen. Die Ausrüstung ist an Bord vorhanden, Computer, Layoutprogramme, Drucker, was man eben so braucht. Und so entsteht ganz nebenbei ein weiteres technisch perfektes, grafisch aufwändiges und verkäuferisch starkes Produkt im mobilen Grafikstudio des europaweit tätigen Grafik- und DTP-Büros loydl design.

Als das Wetter endlich abflaut, verholen wir uns nach Kos. Besuch hat sich angekündigt, eine hochwillkommene Abwechslung in unserem Segleralltag. Im alten Hafen von Kos, unter den hohen Mauern der mittelalterlichen Johanniterfestung, erwarten wir am frühen Morgen unsere Freunde, Ingrid und Alfred. Neben uns liegen riesige Gülets, luxuriöse türkische Motorsegler. Coco ist winzig im Vergleich.


Unsere zierliche Coco neben den fetten Gülets
vor der Johanniterfestung im alten Hafen von Kos


Gäste an Bord!

Wir wollen schnell auslaufen, dem Trubel von Kos entkommen, um die Woche gut zu nutzen, und natürlich, um unseren Freunden möglichst alle "unsere" Ankerplätze und Geheimtipps zu zeigen. Doch erst mal geht gar nichts. Oder besser gesagt, es geht schon was, nämlich der Alarm, sobald die Zündung eingeschaltet ist. Sowas muss natürlich ausgerechnet dann passieren, wenn Gäste an Bord sind! Aber kein Problem: mit technischem Sachverstand kreist Alfred die Ursache ein: der Regler der Lichtmaschine ist defekt. Wie gut, wenn man einen Ingenieur an Bord hat!

So verholen wir uns in die nahe gelegene Marina von Kos, wo es Servicewerkstätten und Elektriker gibt, und verbringen den ersten Tag am betonierten Liegeplatz statt in einer idyllischen Ankerbucht.

Wir staunen. Selten wurden wir in einer Marina so freundlich empfangen. Jeder fragt nach unseren Wünschen: Ist der Platz ok? Sind wir mit dem Service zufrieden? Brauchen wir noch irgendwas? Stavros, der nette Marinero, nimmt uns gar mit seinem hochmotorisierten Gummiboot auf eine Rundfahrt durch die Marina, zeigt uns die Winterstellplätze und kann es auch nicht lassen, uns stolz seine halsbrecherischen Kunststücke mit dem PS-starken Außenborder vorzuführen. Preiswert ist die Marina auch, nur 18 Euro für unsere knapp 11,5 Meter, Strom und Wasser inklusive. Uneingeschränkt empfehlenswert.

Ein Elektriker ist auch schnell an Bord, bis zum Abend ist der Generator repariert, und so brechen wir am folgenden Morgen endlich auf, nochmal nach Norden. Am Abend schaukelt Coco unter einem dicken Vollmond in "unserer" Bucht auf Archangelos. Tags darauf ankern wir vor "unserer" hinter schweren Bougainvilleen versteckten Taverne vor Lyra Lipsi. Das Essen ist hier ausgezeichnet, die griechisch-psychedelische Musik ausgesprochen interessant; ein "Coco-Tipp". Zum Abschied schenkt uns der Wirt Käse, Oliven, Tomaten! Man merkt, es ist hier "end of season".


Coco vor Bougainvillea-bedeckter Taverne In der Bucht Lyra Lipsi

Ein ganz besonderes Highlight in diesem Revier sind die Mini-Inselchen Nisis Aspronisi, ins Meer gestreut etwa auf halber Strecke zwischen Lipsos und Arkos. Vor schneeweißem Kiesstrand und einer beeindruckenden Felskulisse ankern wir auf phantastisch klarem Wasser. Für ein paar Stunden haben wir den wunderbaren Platz ganz für uns allein. Als dann später noch zwei Yachten ankommen, gehen wir ankerauf. Ein traumhafter Badestopp bei ruhigem Wetter, denn Schutz gibt es hier keinen. Wir versteigen uns zum höchst möglichen Lob: "seychellenmäßig"!!

Aspronisi Inseln
Abgelegene Traum-Badebucht bei den Aspronisi-Inselchen


Auf Südkurs geht es weiter. Alfred hat immer die Angel draußen, keiner kümmert sich drum, auch kein Fisch. Hier beißt ja sowieso nie was. Doch plötzlich schlägt dann doch noch unverhofft das Anglerglück zu: ein Mordskerl zerrt und reisst am Haken! Grün schillernd, kämpft der Fisch an dem einen, Alfred am anderen Ende. Wir nehmen die Fahrt aus dem Schiff, und mühsam und unendlich langsam holt Alfi ihn ran. Doch als wir ihn dann endlich in Reichweite haben und den Käscher klar machen, geht dem Burschen wohl auf, was ihm bevorsteht; er rafft seine letzten Kräfte zusammen und - weg ist er! Das waren bestimmt 5 Kilo. Ergebnis: Fisch weg, dafür hängt der Haken im Käscher! Zehn Minuten brauchen wir, um den Haken aus dem Netz zu befreien.

Der kleine Fischerhafen von Panteli ist gepackt voll, in Fünferpäckchen liegen schon zwei Reihen Yachten drin. Also legen wir uns unmittelbar vor dem Hafen mit Anker und langer Heckleine an eine kleine Pier. Von oben grüßen sechs weiße Windmühlen herunter. Für die vergeblichen Mühen des Fischzugs entschädigen wir uns bei einer ausgiebigen Tafelrunde in einer der zahlreichen guten Tavernen am Strand.

An der Südostseite der Insel Kalymnos liegt Ormos Vathi. Durch einen schmalen Einschnitt, flankiert von hohen Bergwänden, geht es hinein in eine fjordartige Bucht. Der Yacht-Anleger ist klein, eng und großteils mit gemeinen Unterwasserfelsen gespickt. Doch die Mühe des Anlegens hier lohnt sich, das Ambiente in dieser "Schluchtbucht" ist beeindruckend. Wie überall so liegen auch hier zahlreiche Tavernen im Wettstreit um die Gunst der Urlauber. Die Anmacher vor den Lokalen preisen ihr Angebot in den höchsten Tönen, immer sehr freundlich, und - klar - immer ist ihr Angebot gerade heute das frischeste, beste im Ort. Die Aufmerksamkeit der flanierenden Segler wird hier schon auch mal durch einen gellenden Pfiff quer über die Placa erregt...


Die "Schluchtbucht" Ormos Vathi auf Kalymnos

Unsere Freunde sind mittlerweile wieder zu Hause in kühleren nördlichen Gefilden. Doch auch hier haben wir einen kleinen Kälteeinbruch zu vermelden. Das Thermometer steigt in den letzten Tagen kaum mehr über 23 Grad. Dafür pfeift der Wind recht ungemütlich. Lange Hose und Fleece werden zur üblichen Garderobe. Eines Abends holen wir sogar die Socken raus...!


Kälteeinbruch und Starkwind

Was liegt da näher als der Besuch eines Vulkankraters? Wenn's uns dort nicht warm wird, wo dann sonst? So nehmen wir Kurs auf Nisyros, die kleine Vulkaninsel südlich von Kos. Es gibt nur zwei Liegemöglichkeiten, den Haupthafen Mandraki (praktisch völlig ungeschützt) und den kleinen Fischerhafen Limin Paloi (bei ruhigem Wetter brauchbar). In letzterem lassen wir Coco für ein paar Stunden zurück, mieten einen Roller und fahren zur Caldera, dem Vulkankrater. Eine beeindruckend trostlose Mondlandschaft empfängt uns im Innern der Insel, grau-braun und gelb-weiss, stinkende Schwefeldämpfe, blubbernde Fumarolen. Der Krater ist begehbar, wenn auch Warntafeln auf die vielfältigen Gefahren hinweisen. Am Boden der Caldera ist es heiss wie im Backofen.


Die eindrucksvolle Caldera von Nisyros

Gerade rechtzeitig kommen wir zurück um zuzusehen, wie eine neu ankommende, englische Yacht bei starkem Seitenwind den Anker unseres türkischen Nachbarn rauszieht - und ihn sodann zielgenau über unsere Kette wirft. Da der Skipper des Nachbarschiffs, Boris, allein an Bord ist, helfe ich ihm beim dadurch notwendig gewordenen erneuten Ab- und Anlegemanöver. Das bringt uns eine Flasche Kreta-Wein vom Neuankömmling und eine Flasche türkischen Raki vom Nachbarn. Arbeit lohnt sich eben doch...!

Wir verbringen eine unruhige Nacht im schaukeligen Hafen. Am nächsten Morgen gehen wir kurzentschlossen ankerauf, Richtung türkische Küste. In Datca, einem eher unbekannten "Port of entry", wollen wir einklarieren. Die bürokratischen Hürden sollen dort recht niedrig und die Prozedur schnell erledigt sein, erzählte uns Boris gestern abend. Und es liegt praktisch auf unserem Weg.


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