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Agathonisi, Samos und die türkische Betonküste - August 2004

Beton zu Lande, Träume zu Wasser

Mal wieder in Griechenland! Die östlichen Sporaden locken! So wohlklingende Namen wie Samos, Chios, Lesbos verheißen lohnende Ziele. Die Inseln sind bekannt für ihre landschaftliche Vielfalt, ihre Vegetation und ihre Schönheit. Keine andere Gegend Griechenlands liegt dichter an Kleinasien: Zwischen Samos und der türkischen Festlandsküste liegen gerade mal eineinhalb Kilometer.

Die winzige Insel Agathonisi ist unser erster Stopp. Wir wissen nicht, ob Agathonisi noch zum Dodekanes gehört oder ob sie schon die südlichste der östlichen Sporaden ist. Und, zugegeben, es ist uns auch nicht wichtig. Die Insel liegt herrlich abseits, weg vom Touristenrummel, und weit, weit weg von türkischer Geschäftigkeit. Kaum einer kennt die Insel, und gerade das macht sie für uns so sympathisch. Es gibt einen Fähranleger, der nur zwei Mal wöchentlich von den größeren Nachbarinseln aus angelaufen wird. Dementsprechend "naturbelassen" ist es hier.

Gleich neben der kleinen Hafenbucht mit dem Fähranleger ankern wir in einer türkis schimmernden Badebucht. Klar und deutlich sehen wir jede Einzelheit am fünf Meter tiefen Sandgrund. Ein Badeparadies! Am kleinen Kiesstrand liegen vereinzelt ein paar Sonnenbadende und beobachten unser Ankermanöver. Wir wahren Abstand und machen unsere Landleinen seitlich an einem Felsen fest. Ruhe pur!


Unser einsamer Ankerplatz auf Nisos Agathonisi

Kirchweih in Agathonisi! Wir fragen die Wirtin in der Hafentaverne. Ja, heute sei Kirchweih, in der Schule oben im Ort. In der Schule? Das hört sich ja vielversprechend an. Gestärkt von gebratener Ziege, der Inselspezialität, traben wir also los, steil bergan. Halb entkräftet erreichen wir schließlich die Chora, das Oberdorf. Der grell mit Neon beleuchtet Schulhof ist denn auch nicht zu verfehlen, Bierbänke, Kinder und ein paar versprengte Erwachsene. Eine griechische Kirchweih, das hatten wir uns etwas anders vorgestellt. Andererseits ist das hier ja auch nur eine winzige Insel im Archipel. Was soll's, der Abendspaziergang in der frischen Luft war sicher gesund. Wir kehren zurück und feiern unser eigenes Bordfest mit Ouzo.

Die schöne Bucht hätte sicher noch einen weiteren Tag Aufenthalt verdient, doch wir haben Südwind! Südwind gibt's hier sonst "nur an Weihnachten" (Zitat Harry). Den müssen wir nutzen, und so trägt uns tatsächlich ein schöner Rückenwind nach Samos.


Pythagoras' Schüler

Samos! Die Insel der Bäume und Pflanzen, des süßen Weins, des Pythagoras! Im Vorhafen von Pythagoreion gehen wir vor Anker. Der schnöde Begriff "Vorhafen" wird diesem Ankerplatz allerdings nicht gerecht. Auf klarem Wasser fällt der Anker, wir fühlen uns wie in einer Bucht, nicht wie in einem Hafen! Flossen und Schnorchel raus und die Umgebung unter der Oberfläche erkunden sind denn auch eines. Sicher ankern auf klarem Wasser, längsseits gehen an der Außenmole, römisch-katholisch anlegen im inneren Hafenbecken, alles geht hier, was des Seglers Herz begehrt!

Am nächsten Nachmittag mieten wir uns einen Kleinwagen. Verhandlungskünstler, die wir sind, gelingt es uns, den Wagen erst am Abend des Folgetags zurückgeben zu müssen. Sofort brechen wir auf zur Inseltour. Die in den Reiseführern gepriesene Schönheit der Insel ist keine leere Versprechung. Viel Grün, dichte Vegetation, Weinberge, Platanenwälder, Zypressen, vieles erinnert hier an norditalienische Landschaften. Alles ist so ganz anders als auf den anderen Inseln, die wir bisher in der Ägäis besucht haben, hier herrscht nicht Kargheit und Trockenheit. In Myli, einem kleinen Dörfchen, machen wir auf einer Placia unter schattigen Platanen Rast. Die Wirtin empfiehlt Zorbina Special, keine Ahnung was das ist, wir bestellen's. Das Gericht entpuppt sich als gebratene Auberginen mit einer dicken Schicht gewürztem Joghurt oben drauf, eisgekühlt, hmmm. Wir kommen ins Gespräch mit einem alten Griechen, der bedächtig seinen Kafedaki, sein "Kaffeechen", schlürft. Besser gesagt, er kommt mit uns ins Gespräch. War vor dreissig Jahren in München, bei BMW, mag Deutschland und die Deutschen und freut sich, dass uns sein Ort und seine Insel gefallen.

Derart körperlich und geistig gestärkt, fahren wir weiter. Durch die zerklüfteten Berge, an die Südwestküste, hinunter an Strände, von denen einige immer noch die Prädikate "einsam" und "natürlich" verdienen, durch Wälder, auch durch große Flächen, die leider von Waldbränden verwüstet wurden, zuletzt vom verheerenden Brand im Jahr 2000. In den ausgedehnten Weinbergen an der Nordseite der Insel wird heute vor allem ein trockener Tropfen angebaut; den süßen Samos-Wein, den wir alle aus unserer Jugend vom "Griechen an der Ecke" kennen, gibt es aber noch immer.

Die Nordküste hält einige Überraschungen parat, unter anderem eine steile Bergfahrt durch einen Urwald von Kiefern und Efeu, an einem murmelnden Bachlauf entlang. Fast erinnert uns die Landschaft an unser schönes Franken. Etwas Franken, etwas Italien, etwas Griechenland, auf diese Mischung einigen wir uns. Oben angekommen dann Manolates, ein Bergdörfchen mit labyrinthartig verwinkelten Gässchen, farbenfrohen Häuschen, freundlichen Gesichtern. Und immer wieder atemberaubende Ausblicke auf's silbern schimmernde Meer.






Impressionen aus Samos

Am nächsten Tag besuchen wir Samos Stadt, in der Bucht von Vathi an der Nordostseite gelegen. Fast die gesamte Pier ist belegt von einer bunten Horde russischer, bulgarischer und rumänischer Segelschiffe, teils bunt über die Toppen geflaggt. Natürlich interessiert uns das, und wir sehen es uns genauer an. So machen wir Bekanntschaft mit Sergei Sherbakov, einem russischen Weltumsegler mit Arktiserfahrung und einer lebend überstandenen 360 Grad Durchkenterung! Er erzählt uns von seinem spannenden, aktuellen Projekt: Gestartet in Omsk in Sibirien, durch Meere, Flüsse und Kanäle ins Mittelmeer und die Ägäis gelangt, wollen sie nun das olympische Feuer auf einem Teil seines Wegs begleiten und zu den Olympischen Spielen in Athen sein. Infos über das Projekt: [klick] (russische Sprachkenntnisse sind hier durchaus von Vorteil).


Natürlich sehen wir uns auch den berühmten "Kouros (Jüngling) von Samos" an, der mit seinen fünf Metern Gardemaß überlebensgroß im Archäologischen Museum steht und dort die Besucher beeindruckt. Überhaupt lohnt dieses Museum einen Besuch, die interessanten Exponate sind ausgezeichnet erläutert, alles ist in griechischer, englischer und deutscher Sprache gut verständlich beschrieben.

Auf dem Rückweg zu unserem Hafen kommen wir wieder vorbei an herrlichen, einsamen Badestrände und Ankerplätzen über türkisfarbenem, klarem Meerwasser. Die Schönheit dieser Insel hat uns in ihren Bann gezogen. Und der Blick geht immer wieder über die Strasse von Samos hinüber zu den türkischen Bergen, zum Greifen nah im Dunst.

Doch wollen wir weiter nach Norden. Da können wir keine Gelegenheit auslassen, müssen wir jeden halbwegs brauchbaren Wind nutzen. Alles was nicht höher als 5 Beaufort aus Nord oder West kommt, ist gut, unter diesem Blickwinkel. Und da der Wetterbericht NW 3-5 vorhersagt, gehen wir ankerauf. Es wird dann zwar mal wieder 5 bis 6. Entgegen der Vorhersage haben wir jedoch nicht Nordwest, sondern Südwest. Das ist gut für unseren Kurs, aber schlecht für den geplanten Ankerplatz, denn dort, wo die heißen Quellen aus der Erde sprudeln, steht der Schwell jetzt schön hinein. So lassen wir die Bucht links, oder besser gesagt rechts, liegen.


Coco's Bug zeigt Richtung Strasse von Samos


6 Beaufort? Kein Problem, solange der Wind aus der richtigen Richtung bläst.


Und immer wieder die türkischen Bausünden

Wieder einmal segeln wir an einer meilenweit mit grottenhäßlichen Feriensiedlungen im Einheitslook verunstalteten Küste entlang. Wirklich ein trauriger Anblick. "Warum nur?", fragen wir uns. Nicht umsonst hat die Küste hier den Beinamen "concrete coast" bekommen, Betonküste.

Das kleine Örtchen Sigacik (gesprochen "Sadschigg") ist bisher vom internationalen Tourismus noch unbeleckt. Was jedoch kein Hindernis darstellt, hier ein ehrgeiziges Marinaprojekt in Angriff zu nehmen. In der Hafenbucht soll seit Jahren eine Marina im Entstehen begriffen sein, die einmal einigen hundert Yachten Platz bieten soll. Unser englisches Pilot Book schreibt dazu, dass dieses Projekt schon seit vielen Jahren mal mehr, mal weniger energisch verfolgt wird. Als wir einlaufen, sind wir überrascht, dass uns eine fast fertige Marina empfängt, mit Betonpiers und Schwimmstegen, jedoch noch weitgehend ohne Muringleinen, Strom und Wasseranschlüsse. An einer Seite der Pier sind Wasser und Stromanschluß schon vorhanden, dorthin lotst uns auch der Hafenmeister. Zwischen zwei mehr oder minder Vertrauen erweckenden türkischen Holzschiffen gehen wir also an die Pier, nehmen die angebotene Muringleine entgegen und machen fest. Hätten wir uns die Befestigung der Leinen vorher genauer angesehen, hätten wir es uns wohl nochmal anders überlegt, doch wer denkt schon daran in der Eile des Gefechts? Und wo wir nun schon mal liegen, bleiben wir dann auch.


Coco und Tender an der Marinapier von Sigacik


Kaum zu glauben aber wahr: Segler arbeiten auch! Dingi reparieren zum Beispiel.

Die Marina von Sigacic teilen wir uns mit Gülets, türkischen Freizeitschiffen jeglicher Größe, mit kleinen Fischerbooten und mit großen Trawlern. Seit langem sind wir offenbar einmal wieder in einer Region angelangt, in der noch Fischfang im größeren Umfang betrieben wird. Zuletzt hatten wir Vergleichbares in Süditalien und Sizilien. Nur Segelyachten liegen kaum welche hier, die Marina ist wohl einfach noch zu wenig bekannt. Eine Nürnberger Maramu liegt ganz in der Nähe, leider sind die Eigner nicht an Bord, sind nach Hause gereist, wie uns Nusred, der Hafenmeister, sagt. Schade, es ist das erste Nürnberger Schiff seit den Balearen vor vier Jahren, wir hätten die Crew gerne kennen gelernt.



Fischauktion in Sigacik

Ein Ort, an dem so viele Fischtrawler liegen, muss einfach besten Fisch bieten! Und heute ist Samstag, und samstags ist Fischauktion! Als wir das sehen, planen wir umgehend für den Abend einen Restaurantbesuch ein, im "Limani Restoran", dem ersten Haus am Platz. Weisses Porzellan, mit Leintüchern gedeckte Tische, die Stühle nach orientalischem Geschmack geschmückt mit glänzend blauen Stoffen, viel Tüll und Schleifchen, werden hier vor allem Urlauber aus Izmir geködert, und vielleicht auch der eine oder andere Gechäftsmann aus der Umgegend. Unsere erste Wahl sind Lokale in diesem Look normalerweise nicht, doch da es schön am alten, kleinen Hafen liegt, machen wir mal eine Ausnahme. Auf den Punkt gebracht: Service desinteressiert, Fisch trocken, Wein überteuert, Rechnung ohne Worte.



Lebensmitteleinkauf auf türkisch: Brot aus der Vitrine, Obst direkt vom Bauern

Am nächsten Tag wollen wir eigentlich zeitig aufbrechen, doch der Wind, der die ganze Nacht durchstand, hält uns nach wie vor hier fest. Er bläst aus vollen Backen, keine Chance für uns, ohne Schwierigkeiten aus der engen Lücke zwischen den beiden Gülets herauszukommen. Und schließlich, es treibt uns ja nichts zur Eile. So kaufen wir erst mal Lebensmittel ein: frisches Obst, knackiges Gemüse, Brot. Als der Wind dann aber am frühen Nachmittag etwas an Kraft verliert, werfen wir doch noch die Leinen los. Die 5, manchmal 6 Bft, können wir bald achterlich nehmen, mit halb gereffter Genua (Vorsegel) und vollem Groß öffnen wir die Segel und jagen mit 7 Knoten Fahrt über Grund Teke Burun entgegen, der südwestlich gelegenen Landzunge. Dort an der Huk dreht der Wind, wir kennen das schon und sind vorbereitet. Gleich hinter der Huk geht es hinein in einen der weiten Fjorde dieses Küstenabschnittes. Von mehr als hundert Metern Wassertiefe in der Einfahrt geht es langsam bis auf fünf Meter. Ideale Ankertiefe, Anker klar zum Fallen!

Und das Wasser: Kaum zu sehen! Fast wie Glas. Ein Traum! Wären nicht die Böen, die die Oberfläche kräuseln, wir würden denken, schwerelos über hellem Sand zu schweben! Ein Traum. Keine Gülets, keine Tavernen, keine Sonnenschirme am kleinen Strand. Nur drei einsame Yachten liegen hier: eine kanadische, eine schweizer, eine aus Merry Old England. Und jetzt natürlich noch eine vierte, die aus Good Old Germany.


Wasser wie Glas

Die Bordküche bietet Spaghetti aglio olio mit Scampi vom türkischen Fischmarkt heute morgen, eine schöne Flasche Rotwein aus Samos, frisches Obst, dazu spielt eine einsame Jazztrompete von CD. Die Sonne versinkt und taucht die Hügel der Umgebung in Rosarot. Das hier ist wieder so ein wunderbares Fleckchen Erde, dessen Schönheit uns zwei allein fast schon überfordert; solche Stimmungen möchte man gerne mit Freunden teilen.

... Was wir ja versuchen, wie ihr seht:





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