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Oktober 2005 | Rhodos

Lindos und Laokoon

An der Ostküste Rhodos', vor der schönen Kulisse von Lindos mit seinen blendend weiß gekalkten Häusern und dem sandbraunen Kastell, ankern wir im Licht der untergehenden Sonne. Um dem leichten Schwell zu entgehen, der in die geräumige Bucht hereinläuft, legen wir Coco soweit wie möglich nach backbords "um die Ecke" der doch recht weit offenen Einfahrt. Zusätzlich bringen wir den Heckanker aus, denn wir haben keine Lust, uns während der nächsten Tage verschaukeln zu lassen. Akkurat aufgereiht steht eine einsame Hundertschaft Liegen und Sonnenschirme am Strand. In Anbetracht der frischen Temperaturen können wir uns kaum vorstellen, dass die Plätze tagsüber alle belegt sind. Doch englische Touristen sind hartgesotten, wie wir tags darauf sehen werden.



Das Kastell und die Ankerbucht von Lindos

Vom langen Segeltag erholt sich die Crew im Cockpit bei Greek Salad, Rotwein und Mikis Theodorakis. Später am Abend wird die Bordheizung aktiviert, um frühwinterliche Gedanken an schneebedeckte Berge und Hüttengaudi von Bord zu verbannen.


Typischer Andenkenladen

Der morgendliche Schwimmgang ist äußerst erfrischend. Nach einem typischen Blitzfrühstück "à la Coco" (Tasse Kaffee) geht die Crew an Land. Wir sind überrascht: so einsam und verlassen der Ort von See aus wirkt, so dicht drängen sich die Menschenmassen durch die Gassen. Wir reihen uns in die lange Schlange ein, die sich den Burgberg hinaufwälzt. Den Fussfaulen bieten Eseltreiber ihre Dienste feil, die Sportlicheren machen sich zu Fuss auf den Weg. Vorbei an Souvenirläden, Buden mit Irdenem und Verkaufsständen für Häkelwaren bewegt sich die Prozession gemächlich bergan. Oben angelangt, schwitzend trotz der Kühle, werden wir durch eine herrliche Aussicht auf die Hauptbucht auf der einen Seite und auf die gegenüber liegende winzige Saint Paul's Bay, in deren Mitte ein einzelnes Segelschiff vor Anker schaukelt, belohnt.


Eindrücke in Lindos

Der Nachmittag steht ganz im Zeichen der Genuawinschrestaurierung. Eine unserer immerhin zehn edelstahlglänzenden Übersetzungshilfen ist im Laufe der Zeit etwas eingerostet, und so kann ich mich nicht mehr länger darum drücken sie zu zerlegen, fachgerecht zu reinigen und neu zu schmieren. Eine gute Stunde später schnurrt das Prachtstück wieder wie ein Kätzchen. Meine Finger sind zerfressen vom Lösungsmittel, dafür glänzt die Trainingshose schön fettig. Zur Belohnung nach getaner Arbeit serviert die Küchenchefin immerhin einen feinen Sundowner. Und bald tickert auch wieder die Dieselbordheizung.


Ungewohnt: Der Skipper bei der Arbeit

Anderntags organisieren wir einen kleinen Mietwagen und brechen auf zur Erkundung der Insel. Natürlich statten wir der berühmten Anthony-Quinn-Bucht einen Besuch ab. Hier drehte seinerzeit der berühmte Schauspieler ("Alexis Sorbas") den Film "Die Kanonen von Navarone" und es gibt zu der Bucht eine kleine, bemerkenswerte Anekdote: Die damalige Militärjunta schenkte dem (übrigens irisch-mexikanischen, nicht griechischen) Schauspieler die Bucht aus Dankbarkeit, wohl, weil der Film dem damals noch jungen Inseltourismus außerordentlich förderlich war. Anthony Quinn hat aber nie dort gelebt oder gar gebaut. Einige Jahre später wurde die Schenkung von der dann demokratisch gewählten Regierung widerrufen. Politischer Wankelmut, das kennen wir ja nicht nur aus Griechenland. Der Name aber ist der Bucht bis heute erhalten geblieben und zieht Besucherschwärme an wie Licht die Motten.


Blütenmeer

Die Bucht liegt zwischen schroffen Felsen und bietet sich für Yachten bestenfalls an Tagesankerstopp an. Zum Schwimmen und Schnorcheln aber ist sie bestens geeignet und die steilen Hänge der Umgebung, die man durchaus zu Fuss erklimmen kann, machen sie gewiss zu einem landschaftlichen Kleinod.

Wir fahren weiter ins kieferngrüne, blütengeschmückte Innere der Insel. Hinter Kolympia, an der Strasse nach Archipolis, halten wir an. Ein kurzer Fussmarsch bringt uns zu den Epta Piges, den "Sieben Quellen". In einem malerischen, üppig bewachsenen Tal plätschern mehrere Quellen und speisen einige kleine Bächlein, die sich dann zu einem vereinen. In den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts legten die Italiener, damals die Herren der Insel, einen fast zweihundert Meter langen Tunnel an, der einem Bewässerungssystem diente. Dieser Tunnel, durch den man bis zu einem kleinen Stausee waten kann, ist heute sicher die Hauptattraktion für die Besucher.

Wir füllen unsere Wasserflaschen mit kühlem Quellwasser und fotografieren die Pfauen, die sich hier offensichtlich recht wohl fühlen. Nächster planmässiger Stopp ist die alte Kirche des Heiligen Nectarios. Vor der Kirche steht eine hohle Platane, die einem Erwachsenen bequem in ihrem Innern Raum bietet. Wir erklimmen einen Bergpfad, der hunderte Meter weit gesäumt ist von dichten Salbeibüschen und Oregano. Selbstverständlich wird ordentlich frische Ware für die Bordküche gesammelt!

Unterwegs liegen weitere sehenswerte Schätze am Wegesrand, wie zum Beispiel die romantisch in einem Pinienwäldchen gelegene byzantinische Kirche des Heiligen Nikolaos Fountoukli aus dem 15 Jh.


Agios Nikolaos Fountoukli

Wie auf fast allen griechischen Inseln heißt auch hier auf Rhodos der höchste Berg Profitis Ilias. In der Nähe des Gipfels (798 m) steht ein "Alpenhotel" im südtiroler Berglook. Das ebenfalls von den Italienern erbaute Haus soll ab 2006 wieder für Besucher geöffnet sein. Rundum Kiefernwälder, soweit das Auge reicht.


Hotel am Profitis Ilias

Hinter Apollonia, wo wir uns zur Stärkung einen köstichen Cheese Saganaki gönnen, führt eine viele Kilometer lange, nagelneue Teerstrasse durch unberührte Wildnis. Pinien wechseln sich ab mit - Palmen!

Einen Tag später bringt uns ein hurtiger Morgenspaziergang den Hügel von Lindos hinauf zum Bus-Stop schnell auf Betriebstemperatur. Wir kommen exakt pünktlich an - doch der Bus ist schon weg. Griechische Busse sind oft pünktlicher als ihre Fahrgäste, keine Spur von südländischer Schlafmützigkeit. Schlecht für Leute, die es auf den letzten Drücker versuchen wollen. Eine dreiviertel Stunde später fährt der nächste Bus nach Rhodos Stadt.


Das beeindruckende Tor zur Altstadt


Grossmeisterpalast

Die berühmte Altstadt ist rund 2400 Jahre alt und von beeindruckendem Mauerwerk umgeben. Im bestens erhaltenen, mittelalterlichen Gassengewirr stehen Minarette neben Andenkenläden, byzantinische Kapellen neben teilsanierten Ritterhäusern. Der Großmeisterpalast des Johanniterordens aus dem 14. Jh. steht in seiner Pracht dem von Malta nicht nach. Die um 1940 von den italienischen Besatzern wieder aufgebaute, gewaltige Anlage wurde am höchsten Punkt der Stadt errichtet und birgt eine Kopie der weltberühmten Laokoon-Gruppe aus dem ersten Jahrhundert. Der Überlieferung nach war es Laokoon, ein trojanischer Priester, der sein Volk vor der Gefahr durch das hölzerne Pferd warnte, das die Griechen unter ihrem Anführer Odysseus den Trojanern zum Geschenk machten. Wie man heute weiß, war seinen Warnungen kein Erfolg beschieden. Athene, die Schutzgötting der Griechen, sandte zwei Seeschlangen aus, um ihn und seine beiden Söhne zu beseitigen. Die Trojaner sahen dies als Zeichen, dass der Priester Unrecht hatte und nahmen das Danaergeschenk entgegen. Die Konsequenzen dieses folgenschweren Fehlurteils kennen wir alle aus dem Schulunterricht.

Eine Kopie der berühmten Laokoon-Gruppe steht im Grossmeisterpalast

Nach dem Ausflug in die griechische Mythologie und in die Vergangenheit Rhodos' steht uns der Sinn nach Gegenwart. Bei einem Spaziergang erkunden wir die innerhalb der Stadtmauern gelegene Altstadt und den Hafen. Der Yachthafen von Mandraki verlockt uns nicht allzusehr. Die Ostseite des Beckens ist voll belegt mit den Yachten der heimischen Charterflotten. Im Westteil liegt ein Schwimmponton mit Platz für etwa 10 bis 15 Transityachten, auch hier herrscht drangvolle Enge. Direkt daneben liegt die Berufsschifffahrt und lässt die Schlote qualmen. Wir werden morgen wohl auf direktem Weg die türkische Küste ansteuern.

Hier im Hafen auf Rhodos sehen wir auch das skurille Ärzteschiff, das uns seinerzeit am frühen Morgen von der bequemen Mole auf Tilos vertrieben hatte:


Das griechische Ärzteschiff

Zum Abschied von Rhodos Stadt und zur Belohnung für unser unermüdliches Streben nach kulturellem und historischem Wissen gibt es noch eine Tüte hausgemachter Eiskrem. Der griechische Eisverkäufer hat sein Gelatomobil in Italien erstanden, parkt nun unübersehbar vor den Toren der Altstadt und zieht Schleckermäuler unwiderstehlich an.


Anziehungspunkt für Schleckermäuler

Die Temperaturen steigen wieder, das Thermometer zeigt tagsüber knapp über 20 Grad Celsius. Wir verlassen den bequemen Ankerplatz vor Lindos. Das Bergen des Ankers gestaltet sich akrobatisch, denn irgendwie haben wir es geschafft, einen Unterwasserfelsen einzuwickeln. Dank der klaren Sicht zum Grund bleibt uns ein Tauchgang erspart, mit etwas Manövergeschick und einigem Vor und Zurück, Rechts und Links befreien wir uns aus der mißlichen Lage. Wir motoren die Ostküste hinauf, die Sonne scheint, Sonnenbaden an Bord ist angesagt! Später, im Steno Rhodou, an der Nordspitze der Insel, brist es auf und wir bekommen einen perfekten Vierer Wind bei glattem Wasser. Noch später wird es dann doch noch feuchtfröhlich, bei 20 Knoten hart am Wind. Eine Schwalldusche steigt über's Vorschiff ins Cockpit ein. Nächstes Mal räumen wir die Sitzpolster früher runter!



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