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Menorca-Sardinien / Juli 2001

Endlich Urlaub!!

So, hier kommt die erste Fortsetzung der Erlebnisse der Ritter der Seekokosnuss. Es gibt wieder einiges mehr oder weniger Interessante zu berichten:

Wir sitzen/liegen zurzeit ganz entspannt in einer herrlichen Bucht am Nordwestzipfel Sardiniens, Porto Conte, trinken Cola Light, hören B.B. King und genießen das Leben. Herta liest "A Painted House" von Grisham auf englisch (ich bin nicht sicher ob sie noch deutsch lesen kann. Sprechen tut sie's jedenfalls noch...). Es ist etwas bewölkt, ideal für journalistische Tätigkeit. Also tippe ich mal die neuesten facts.

Heute haben wir...

(a) ... das Vorsegel abgeschlagen, um es anders herum wieder anzuschlagen, damit der UV-Schutz außen zu liegen kommt und das tut was er soll (muß wohl nicht extra erwähnen, dass Wind gerade dann aufkam als wir das Segel halb drunten hatten);

(b) ... die kaputte neue Toilettenpumpe aus Mallorca im Vorschiff gegen eine noch neuere aus Sardinien ausgetauscht (dabei einige interessante Entdeckungen gemacht, die sich aber leider nicht zur schriftlichen Darstellung eignen); wir mußten mittlerweile erfahren, daß die Preise für Toilettenpumpen offenbar von Nord- nach Südeuropa und hier ganz besonders von West nach Ost tendenziell kräftig ansteigender Natur sind, die Ship Chandler hüten sie offenbar wie pures Gold; wir hatten dann aber doch das Glück, eines der raren Stücke zu einem phantastischen Preis zu ergattern;

(c) ... versucht, schnorchelnderweise die verloren gegangene Opferanode für den Autoprop zu ersetzen (jetzt wissen wir, daß die alte schlicht und ergreifend abgefallen sein muß, weil M6er-Schrauben in M8er-Bohrlöchern nun mal nicht gut halten). Da es diese speziell geformten Teile (traditionelle englische Handwerkskunst in achter Generation) hier absolut nicht zu kaufen gibt (obwohl wir mittlerweile einen weitläufigen Freundeskreis unter den Schiffsausrüstern im westlichen Mittelmeer aufgebaut haben), habe ich die Dinger heute per Internet in Merry Old England bestellt, und gleich die passenden Kunststoffschrauben dazu (9 Stück, dann kann ich maximal sechs unter Wasser runterfallen lassen, das müßte reichen...); übrigens: sowas kostet dann schlappe 55 Pfund, englische!

Jetzt belohnen wir uns wie gesagt mit Dolcefarniente und freuen uns auf spitzenmäßige Pasta al vongole heut abend in einem "Ristorante", das wir gestern entdeckt haben. Von außen sieht es aus wie eine etwas verwahrloste Baubaracke (mindestens vier Katzen im Müllcontainer davor) und von drinnen wie eine abgerissene, billige Campingplatzabfütterungsstelle. Gestern wurden wir allerdings völlig überrumpelt von der gänzlich unerwarteten Frage nach einer... ja, einer Reservierung! Und das in diesem Schuppen! Wir konnten es kaum glauben. Tatsächlich war es dann um 2100 rappelvoll. Und das Essen war köstlich! Die Rechnung: 45.000 Lire für zwei volle Mahlzeiten und eine Flasche Vino Bianco de la Casa! 45 Mark! Davon weniger als zehn für einen wirklich guten Hauswein. Der Mut, die Baracke zu betreten, hat sich gelohnt; heute gehen wir noch mal dorthin, was wir ja nicht oft tun auf Reisen. Das heißt schon was!

Rückblick:

Nach den ersten eineinhalb Wochen in Palma de Mallorca werfen wir am 21. Juni Leinen los und segeln Richtung Südost, unser Ziel ist wieder mal das Naturreservat Cabrera. Das Permit haben wir in der Tasche. Nach einer Stunde - und frisch justierten Windinstrumenten - befinden wir, daß der Wind nicht günstig steht für Südostkurs (genau daher kommt er) und gehen auf Westkurs. Aus Andratx, der zweiten Heimat von Claudia Schiffer und Michael Douglas, wo wir die Nacht bleiben, stammte meine erste e-Mail. Der nächste Tag ist ein schöner Segeltag mit wenig wind :-) und spiegelglatter See. Am Abend sind wir in Soller, der einzigen gut geschützten Bucht an der Westküste. Beim Bummel durch den netten Ort erleidet Herta einen kurzen Anfall von Shoppingitis in einem schnuckeligen La Perla Laden, aber die unmittelbar folgende Visa-Therapie führt zu schneller und wohl auch nachhaltiger Heilung. Am nächsten Tag sind wir schon im Norden, in der Bucht von Pollensa. Hier weht es nicht schlecht, es ist ein bekanntes Surfrevier. Unser erstes Delfinpärchen begleitet uns eine Weile. Hinter der kleinen Isla de Pina Posada wollen wir windgeschützt ankern. Zu unserer Überraschung sind nagelneue Bojen ausgelegt. Wir machen an einer fest. Da brettert auch schon ein PS-starkes Gummiboot heran, freundliche Begrüßung, der Naturschutz habe in dieser Bucht Einzug gehalten, die Vegetation am Grund soll vor den Ankern der Yachten geschützt werden. Lobenswert, aber "welche Vegetation", frage ich mich! Ob's uns was ausmacht, wenn sie gleich kassieren? Naja, klar, Umweltschutz darf schon bißchen was kosten. 3500 Pesetas? 40 Mark? Na, das ist uns dann doch etwas zu happig für eine Boje, die wir nicht brauchen. Da wünschen wir dann doch lieber viel Erfolg bei anderen Seglern und machen uns davon. Eine Meile weiter südlich gehen wir hinter einer Landzunge vor Anker. Hinter dem schwarzen Scherenschnitt der Bergkulisse geht die Sonne glutrot unter, eine scharfe, dünne Mondsichel erscheint. Hier wollen wir auf passenden Wind für die Überfahrt nach Menorca warten.


Cala Santandria, Menorca

Schon am nächsten Morgen paßt's einigermaßen. Das Wasser ist wieder glatt wie ein Binnensee. Wir gehen ankerauf und setzen Segel. Dazu lassen wir den Volvo nachhelfen. Zwei Stunden später herrlicher Segelwind! Sechs Stunden später ankern wir in menorkinischen Gewässern (für die Eingeweiten: Cala Santandria) und machen achtern unsere Landleine am Felsen fest. Wir sind noch mitten im Gefecht, haben unseren Anker noch nicht in den Grund gezogen, da kommt eine französische Segelyacht herein und wirft ihren Anker ruckzuck neben den unseren, wenige Meter entfernt und natürlich in Luv (windzugewandte Seite; das ist schlecht, sehr schlecht...). Es kommt wie es kommen muß: bald hängen sie voll in unserer Kette. Das Positive dabei: jetzt können wir uns das Reinziehen unseres Ankers sparen, wenn er so schon beide Schiffe hält, dann sitzt er...! Beim zweiten Versuch greift uns der Feind breitseits an. Wir verteidigen uns mit allen Fendern deren wir habhaft werden. Nach langem Hin und Her schaffen sie es, sich einigermaßen von uns fernzuhalten; ich bitte den Kapitänskollegen um etwas mehr Abstand, er findet es schon auch etwas knapp, doch er eröffnet mir, daß ja noch seine Freunde daneben passen müßten, die ihr Eintreffen in Bälde angedroht haben. Welche Freude! Zweiter Akt: die Verstärkung der französischen Truppen zur See! Wir erleben, daß man alles übertreffen kann. Ich mach's kurz: oft haben die noch nicht geankert. aber mit Hilfe zweier Schiffsbesatzungen (eine bremer, eine nürnberger) liegen nach einer stunde schließlich zwei Franzosendampfer friedlich vertäut zwischen uns. Wir hoffen auf eine ruhige Nacht. Da der Kontakt zu der bremer Yacht bereits hergestellt ist, erfahren wir, daß auch dort die Überfahrt nach Sardinien geplant ist. Vielleicht ergibt sich ja ein Flottenverbund..? Nach dem kulinarisch äußerst bemerkenswerten Dinner von Herta Schubeck an Bord verlegen wir unsere Landleine dann noch etwas weg von der (feindlichen...?) Flotte. Die Koje ruft.

Der nächste Tag beginnt friedlich. Frankreich verläßt die bucht. Entspannung. Ein ruhiger Tag. Nachmittags, wir wollen gerade per Dingi zum Einkaufen an Land, läuft eine schöne Contest 42 ein und, wir glauben es nicht, wirft ihren Anker - wo wohl... in Luv. Unsere vorsichtigen Proteste nützen nichts. Was haben wir nur getan??? Nun auch Deutsche gegen uns? Es bewährt sich, daß wir gestern trainiert haben, der Feind kommt also heute aus dem eigenen Lager und ist heute um einiges größer! Fortsetzung s.o. Unsere Kette hält schon was aus, V4 Edelstahl, ich sag's ja. Wer springt wieder rein, wer winscht die Yacht fest? Ja bin ich denn der ADAC?! Immerhin gibt's diesmal eine feine Flasche Schampus als Dankeschön. Damit ist die Freundschaft wieder hergestellt.


Morgenstimmung in der Bucht von Mahon

Die nächsten Tage segeln wir bei meist herrlichem 4-5er Wind entlang Menorcas Nordküste nach Mahon. Es gibt wenig Mißgeschicke zu berichten, nur Angenehmes. Wen interessiert das schon...? Mahon soll unser Ausgangspunkt für den langen Schlag nach Sardinien werden. Als wir später dort an der Pier Diesel bunkern, legt neben uns eine große Motoryacht an, eine Pershing 48. Kommt soeben aus Sardinien, Dauer der Überfahrt: 6 Stunden! Verbrauch: 1.200 Liter Diesel. Andere Dimensionen! Wir rechnen mit 35 bis 40 Stunden, weather permitting, of course. Und mit 10 bis 20 Litern Diesel. Wenn überhaupt.


Kaffee um Sechs

Der Wetterbericht verspricht Gutes: West bis Nordwest 4 bis 5. Haargenau das, was wir brauchen! Wecker auf Acht. Ausgerechnet in dieser Nacht nerven die Moskitos! Vorteil: so sind wir schon um 0600 wach und kommen zwei Stunden früher los als geplant; damit müßten wir unser Ziel problemlos noch bei Licht des folgenden Tages erreichen! Wind ist achterlich, wir baumen aus und segeln Schmetterling. Coco rollt, ich schlucke Stutgeron. Wir opfern Rasmus den Rest meines heiß geliebten malorquinischen Hierbas, bedanken uns für die schöne Zeit auf den Balearen und erbitten Glück für Italien. Dies scheint ihm zu gefallen, er ist uns wohlgesonnen: nach ein paar stunden kommt der wind im idealen Winkel, die Segel stehen stramm an Steuerbord - und so segeln wir durch, 36 Stunden, ohne auch nur einmal groß dran zu zupfen! Unterwegs sichten wir zwei Meeresschildkröten!!! Während der Überfahrt wechseln wir uns im Zweistunden-Rhythmus ab. Nur wenige Male sehen wir nachts Lichter am Horizont, wir sind praktisch allein. Mit zwei- bis dreitausend Metern Wasser unter uns. Eine etwas unheimliche und seltene Erfahrung. Die Gefühle sind gemischt.


Am nächsten Morgen um 0935 empfangen wir erstmals Sprechfunk von Radio Cagliari! Um 1300 sehen wir die ersten Vögel. Wir legen Bocelli's "Viaggio italiano" auf. 1525 erster Blick auf Sardinien voraus! Wir hissen die italienische Flagge. 1650 die Begrüßung wie bestellt: ein ganzer Trupp Delfine spielt um uns herum!! Was für ein Schauspiel!

Und was für eine Überfahrt!! 1810 fällt der Anker auf italienischem - sardischem - Grund. Wir genehmigen uns den wohlverdienten Manöverschluck, schwimmen, essen etwas und dezimieren dazu den spanischen Tinto, um an Bord Raum für italienischen Vino Rosso zu schaffen. Wir genießen unseren Erfolg und die Ruhe!

Diese Gegend Sardiniens ist seglerisch weit weniger überlaufen als unser bisheriges Revier; zumindest hier an der Westküste. Die Sarden sind ein sehr freundliches Völkchen, wir fühlen uns hier überall sehr wohl. Und sie lieben gutes Essen, auch kein schlechter Charakterzug.

Doch über Sardinien später mehr.


Die kläglichen Reste unserer spanischen Flagge

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