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Sardinien-Korsika / August 2001

Massenansturm am Ankerplatz

Wir treiben uns noch immer zwischen Sardinien und Korsika herum, im Inselarchipel der Maddalenas. Nun fast schon einen Monat lang. Für einige Tage segeln wir gemeinsam mit Freunden, sozusagen Flottille. Herta segelt mal einen Tag lang auf der anderen Yacht mit, um die gegnerische Taktik im Detail zu studieren. Vielleicht bringt's ja was... Ansonsten lassen wir uns gemächlich von Insel zu Insel treiben, von Bucht zu Bucht. Eine ist schöner als die andere. Aber leider oft überfüllt. Es ist August, Ferienzeit auch in Italien. Und alles, was nur irgendwie schwimmt, ist jetzt auf dem Wasser.


Unterwasser-Ballett


An der Costa Smeralda

Irgendwann wird uns der Trubel dann doch zu viel. Wir legen Coco für ein paar Tage in eine kleine Bucht im Golf von Arzachena, gleich um die Ecke bei Porto Cervo, und bringen die Mountainbikes mal wieder an Land. Von hier aus unternehmen wir Radl-Ausflüge an die Costa Smeralda. In Porto Cervo nehmen wir mal eine kleine Erfrischung zu uns, mit 10 Mark die teuerste Dose Fanta unseres Lebens! Die exquisiten Designerläden schauen wir danach nur noch von außen an, das Betreten verkneifen wir uns, denn das könnte sonst das vorzeitige Törnende bedeuten, wegen Trockenfallens der Bordkasse.


Die ruhige Cala Mucchi Bianchi

Geruhsame Tage wechseln sich ab mit ausgesprochenen Starkwindperioden. Nach einer ruhigen Ankerwoche geht's mal wieder zur Sache mit Windstärken 6 und 7. Als eines morgens ein recht strammes auflandiges Lüftchen aufkommt und gleich entsprechend Schwell an unserem Ankerplatz steht (wir sind mal wieder die letzten hier, alle anderen sind schon weg) denken wir uns, nun sind mal wieder ein paar Hafentage angesagt. Und wenn schon Hafen, dann soll's möglichst ein schöner sein. Also brettern wir gegenan nach Gavetta, zur Haupt-"Stadt" der Insel La Maddalena. Überraschung: im kleinen Hafen ist alles belegt! Erst glauben wir es ja nicht, aber der Hafenmeister meint es ernst. Schade, denn den hübschen Ort, den wir zuvor schon mal kurz besucht hatten, und auch die Insel selbst, hätten wir gerne ausgiebiger erkundet. Es hackt schon ganz schön, laut UKW bleiben die Aussichten schlecht, aus Korsika soll es wieder mal Dicke kommen. Ein sicherer Hafen wäre erstrebenswert, also gehen wir gleich wieder rüber nach Sardinien! Doch heute ist Murphy's Tag. Nach dem Motto "Pech zieht Pech an", ist auch der nächste Hafen belegt. Als wir im engen Vorhafen ankern wollen um Alternativen zu überlegen, springt uns die Ankerkette von der Winsch und verklemmt sich. Gut, dann also nicht ankern. Das Problem lösen wir draußen auf See mit ein paar gezielten Hammerschlägen. Kurz darauf, es pfeift mit Stärke 6, mißglückt uns eine Halse und das Vorsegel dreht sich um sich selbst. Sch...! Was haben wir heute bloss verbrochen? Leicht genervt und stark gerefft segeln wir zurück in die Bucht von Arzachena, mit Ziel Marina von Cannigione. Wie bitte? Erraten: Hafen "completo". Also gut, dann wettern wir eben vor Anker ab. Wir zwängen uns ins schon recht dichte Feld der zahlreichen Leidensgenossen und werfen den Anker auf grasdurchwachsenen Grund. Das Baro hält sich wacker, vielleicht verschont uns ja das korsische Unwetter?


Nur mal nicht gleich neidisch werden...!!


Coco unter vollen Segeln auf der Suche nach einem Liegeplatz

Am nächsten Tag haben wir den Salat. Es pfeift, selbst hier in der flachen Bucht wird der Seegang unangenehm. Aber unser Bügelanker hält, trotz Gras. Jedenfalls bis Mittag... dann befinden wir uns plötzlich auf Drift! Doch wir können einen Zusammenstoß mit den Nachbarn verhindern und ankern erneut. Während unseres Manövers beobachten wir, wie in der Nähe eine andere Yacht, offenbar unbemannt, auf Drift geht. Jemand müßte rüber und mehr Kette geben, so lange es noch geht. Doch wir sind mit uns selbst beschäftigt, jetzt ist nicht der Zeitpunkt für unsere gute Tat des Tages. Wir rufen die Capitaneria per Funk, doch da rührt sich keiner, es ist Sonntag. Wir beobachten, wie die Yacht wenige Meter vor dem Ufer aufläuft und stehen bleibt; der Grund dort scheint zumindest nicht Fels zu sein, Glück gehabt! Nach einiger Zeit kommen zwei Jungs im Motorboot, ziehen das Schiff herunter und schleppen es in die Marina. Jetzt bleiben wir wachsam. Wir bringen noch unseren Zweitanker aus, das beruhigt. Im Lauf des Tages und der folgenden Nacht sehen wir noch einige Schiffe am Ankerplatz auf Drift gehen, drei Segler drehen nachts gar beständig Kreise draußen vor der Bucht. Doch Coco mit ihren zwei Ankern bleibt sicher am Platz.


Alle Anker voll auf Zug!

Morgendämmerung. 7 Beaufort. Schaumkronen am Ankerplatz! Nebenan ist England auf Drift, mit drei (!) Ankern! Aber keine Vorurteile bitte, alle Nationalitäten waren schon unterwegs; es sind nicht mehr viele in unserer Bucht, die noch nicht zum Drifter's Club gehören. Die Böen zerren und reißen. Mittags sind wir wieder dran. Diesmal kommt ein Motorschiff auf uns zugetrieben, das seit zwei Tagen fest und sicher vor uns lag. Wenige Meter vor unserem Bugkorb schafft's der Skipper gerade noch mit Vollgas abzustoppen. Leider fängt er dabei mit seinem Anker unseren Zweitanker ein. Coco hängt nun also unter vollem Zug zwischen ihren beiden Ankern, es knirscht verdächtig im Gebälk. Lange wird das nicht gutgehen, also geben wir die Ankerleine frei, bevor sich die Klampe verabschiedet. damit wären wir erst mal unseren Zweitanker los. Eine gute Stunde später haben die Schuldigen den Ankersalat entwirrt, bringen uns den unseren zurück und wir belegen neu. Am Abend meldet der Funk Wetterbesserung in Sicht. Am nächsten Tag nur noch 5 bis 6 Beaufort. Neben uns driftet ein Schweizer, währenddessen ankert eine französische Yacht direkt vor unserer Nase. Wir sehen, wie er knapp 10 Meter Kette gibt...! Es dauert dann auch nicht lange, und er treibt auf uns zu. Wir brüllen rüber, sie merken's und ankern neu. Wieder nur 10 Meter Kette. Bald driften sie wieder. Aber dann greift der Anker wie durch ein Wunder doch noch. Glück braucht der Mensch.

Irgendwann ist wieder Ruhe. Da wir nun den Golf von Arzachena zur Genüge kennen, wollen wir uns Abwechslung gönnen: Korsika steht auf dem Plan. Doch erst ist Arbeit angesagt, Diesel bunkern. Heute ist Großkampftag, alle wollen los. Mit uns drängeln sich zahlreiche Motoryachten vor der Tankstelle und warten auf einen freien Platz an der Zapfsäule. Eine echte Herausforderung für uns, Coco einigermassen auf Position zu halten, so ohne Bugstrahlruder auf engstem Raum! Frisch vollgetankt machen wir uns nach eineinhalb Stunden endlich auf den Weg. Am Abend sind wir in korsischen Gewässern. Vor der an sich wunderschönen Bucht Rondinaria packt uns das kalte Grauen: eine kompakte weiße Wand aus Schiffsrümpfen versperrt den Blick. Wegen Überfüllung geschlossen! Selbst für uns mallorcaerfahrene ist das starker Tobak. Das tun wir uns nicht an. So suchen und finden wir einen ruhigen Ankerplatz in der Nähe. Die nächsten Tage verbringen wir in der Umgebung von Porto Vecchio, dem Ort mit der hübschen, hoch am Berg gelegenen Altstadt. Wir stellen fest, daß sich das Lebensgefühl hier von dem im nur wenige Meilen weiter südlich gelegenen Sardinien erheblich unterscheidet. Bugholzstühle statt Plastikmöblierung, Pastis statt Campari.


Wilder Ritt durch die Straße von Bonifacio

Einige Tage später haben wir schon wieder Starkwindwarnung für die Straße von Bonifacio. Wir beschließen deshalb, dieses herrliche aber windige Segelrevier hinter uns zu lassen und uns weiter auf den Weg an die Ostküste Sardiniens zu machen. Die Überfahrt bei Windstärke 7 wird zum wilden Ritt, aber wir sind pünktlich zur Stelle für unsere Verabredung mit unseren "alten" Segelfreunden Alfi und Ingrid. Gemeinsam wollen wir Aga Khan's Paradies an der Costa Smeralda zu Wasser erforschen. Unsere neuen Gäste ergänzen unseren Fuhrpark um ein äußerst nützliches Utensil, einen Alu-Klapproller. Schon bald wissen wir nicht mehr, wie wir je ohne auskommen konnten in den Marinas, wo wir zu den Hafenbüros oft ziemlich weit laufen müssen; oder um einfach mal schnell was zu erledigen, Panini kaufen, Zeitung holen etc.


Die altbewährte Seychellen-Crew ist wieder mal beisammen!

Auf dem Weg zur Smaragdküste müssen wir zunächst mal durch die Meerenge der Isola delle Bisce. An sich überhaupt kein Problem. Wenn da nicht die Motoryachten aus Porto Cervo wären... Wir haben zwar schönen Segelwind, aber auch einen unglaublichen Verkehr. Gewaltige Motoryachten jagen mehr oder weniger rücksichtsvoll kreuz und quer durch den Pass und verursachen einen Seegang wie bei Schwerwetter. Nicht ganz einfach, unter diesen Bedingungen Kurs zu halten. Ingrid trennt sich unterwegs schweren Herzens wieder vom Mittagessen.

Auch die Buchten und Inseln an der Costa Smeralda sind jetzt im August hoffnungslos überfüllt. An den bekannten Ankerplätzen ist praktisch kein Platz zu bekommen. Vor den Edelmarinas Porto Rotondo und Porto Portisco drehen die Megayachten Warteschleifen, bis ihnen über Funk ein Liegeplatz zugeteilt wird. Dennoch, uns bieten sich immer wieder spektakulare Aussichten. Schöne Landschaften wechseln sich ab mit grandiosen Granitformationen; die Farben des Meeres sind fantastisch. Und abseits vom Trubel finden wir doch immer wieder wunderbare Ankerplätze, bisweilen in recht bizarrer Szenerie.


Und noch mal so ein gemeines Neid-Foto! Hohoho... ;-))

Nach einer wunderschönen Woche verlassen uns unsere Freunde in der neuen Marina Porto Ottiolu; zuhause rufen die Pflichten. Für uns ist dies nach dreißig Tagen Ankerbuchten unser erster Marinaaufenthalt. Und wieder mal Zeit, eine Entscheidung zu treffen. Wollen wir hinüber zu den pontinischen Inseln bei Neapel und dann ans italienische Festland, oder an der sardischen Ostküste entlang nach Süden segeln und dann direkt hinüber nach Sizilien? Wir entscheiden uns für die zweite Variante, weil sie uns mehr Zeit läßt.

Kaum befinden wir uns ein Stück südlich der Costa Smeralda kehrt wieder Ruhe ein. Es gibt kaum noch vorgelagerte Inseln, wenige Ankerplätze, weniger touristische Infrastruktur, und so auch weniger Rummel. Nur vereinzelt verirren sich noch Segler, und noch viel weniger Motorboote, hierher. Die Sandstrände werden länger und menschenleerer. In einer weiträumigen Bucht mit dem obligatorischen kristallklaren und türkisblauen Wasser treffen wir nochmal unsere Freunde von der SY "Michelle", die Sardinien in der anderen Richtung umrundet haben.


Die Crews der "Coco" und "Michelle" auf Erkundungstour


Man hält Distanz in der Marina Cala Gonone

Bei wenig Wind motoren wir entlang einer fast lieblichen Küste: im Vordergrund Sandstrand, dahinter oft Wäldchen und baumbestandene Hügel, und im Hintergrund türmen sich hohe Granitberge.

Wir machen fest in Cala Gonone, mit Bug voraus direkt an der Steinschüttung hinter dem Wellenbrecher. Hier ist full service geboten, das Festmachen übernehmen Marineros, einer kommt dazu schon in der Hafeneinfahrt extra an Bord. Nicht schlecht. An Land gelangt man von den Schiffen mit Hilfe einer Art Mini-Fallbrücke. Mal was Neues.

Hier mieten wir ein Auto und erkunden das Landesinnere auf den atemberaubenden hochalpinen Straßen des Gennargentu. Eine ausgedehnte Wanderung führt uns zu einer einsamen Schlucht, die ein Flüßchen dreihundert Meter tief in die Gesteinsmassive hineingefressen hat: rosafarbene Blüten vor strahlend weiß gewaschenem Granit, tiefgrünes Süßwasser im ansonsten fast ausgetrockneten Flußbett. Einzigartig!


Natur pur in der Schlucht von Su Gorrupu

Der weitere Weg führt uns entlang einer Felsküste, wie sie eindrucksvoller nicht sein könnte. Aus tausend Metern Höhe brechen die Berge unvermittelt ins Meer ab; es gibt unzählige Grotten und blau schimmernde Landeinschnitte, von denen die eine oder andere sogar, zumindest bei gutem Wetter, als Ankerplatz geeignet ist. Die Farben sind unbeschreiblich, bisweilen fast unnatürlich. Wir ankern in der Cala Golorize, berühmt wegen ihrer hohen Granitnadel und dem Felsentor. Das Wasser schimmert transparent wie blaues Glas. Wir schnorcheln, es ist unglaublich schön. An einer Stelle hinter dem Felsentor mündet unterirdisch der Abfluß eines Bergsees, das Wasser ist hier eiskalt und sehr erfrischend! Leider steht gegen abend Schwell in diese weit offene Bucht, so daß wir uns schweren Herzens auf den Weg machen müssen. Dieser abgelegene Küstenabschnitt zählt für uns zu den eindrucksvollsten Gegenden Sardiniens.



Kristallklares Wasser in der Cala Goloritze

Über Arbatax und Porto Corallo - riesigen und dennoch fast leeren Hafenanlagen - führt der Weg weiter, entlang an rot leuchtenden Porphyrklippen, an kilometerlangen, menschenleeren, immer dunkleren Sandstränden, die sich abwechseln mit grün-trockenem Hügelland. Hinter der südlichsten Landzunge Sardiniens, dem Capo Carbonara, legen wir uns vor Anker und hoffen auf guten Wind für die bevorstehende Überfahrt. Vor uns liegt Sizilien mit seinen Kulturschätzen, den Vulkaninseln, der nordafrikanisch geprägten Mentalität. Der tiefe europäische Süden sozusagen.


Coco schaukelt im Abendlicht vor der Marina von Arbatax


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